Franziskus kehrte
am Donnerstag in der Favela Varginha in Rio ein. Auch Papst Johannes Paul II. hatte
bei seinem Brasilienbesuch 1980 eine Favela in Rio besucht. Ein Kommentar zu Franziskus‘
Besuch im Armenviertel von unserer Korrespondentin in Rio de Janeiro, Anne Preckel.
Es
war die vielleicht bislang bedeutungsvollste Geste des Papstes auf dieser ersten Reise
nach Lateinamerika, wenn es auch für Jorge Mario Bergoglio kein Neuland war. Der Papst
besuchte am Donnerstagmittag (Ortszeit) auf eigenen Wunsch die Favela Varginha im
Norden von Rio, die nach langen Jahren blutiger Bandenkriege heute als befriedet gilt.
Als Kardinal von Buenos Aires hatte Bergoglio oft Armenviertel besucht, die Nähe zu
den Menschen am Rande ist für ihn natürlich, als Oberhaupt der katholischen Weltkirche
hat sie eine durchschlagende Kraft. Für die Einwohner des kleinen Armenviertels Varginha
war es freilich ein ungeahntes Erlebnis: ,Der Papst kommt zu uns, er meint uns, er
geht nicht in saubere und sichere Paläste, sondern mischt sich ohne Scheu und Vorurteil
unter unsere Familien, in unsere Hoffnungen und Ängste'.
Sicher - Varginha
ist nicht Vila Cruzeiro, wie eine der tödlichsten Gegenden Brasiliens heißt. In dem
überschaubaren Armenviertel im Norden Rios haben die Behörden gründlich aufräumen
lassen, besonders für die Medien zum Papstbesuch. Und dennoch ist Bergoglios Besuch
in der Favela mehrfach historisch. Franziskus ist der erste lateinamerikanische Papst
in einer Favela, dem Ort, an dem sich zentrale Probleme des südamerikanischen Kontinentes
verdichten. Und weiter: Er kommt im Rahmen eines Weltjugendtages, lenkt Augenmerk
besonders auf die Sorgen und Nöte junger Menschen in Brasilien und in der Welt.
Es
ist Franziskus erste Apostolische Reise, der er direkt seinen Stempel aufdrückt, wie
man schon ahnen konnte: „Wie sehr wünsche ich mir eine arme Kirche für die Armen“,
sagte im März der frisch gewählte Papst. Und er handelt danach, er sucht das einfache
Wort, die Begegnung, auch die körperliche Nähe, das Zuhören und das Gespräch. Er verweist
damit auf ein riesiges Loch: Man musste am Donnerstag nur die fast hysterischen Schreie
der brodelnden Menge hören und die vielen Arme sehen, die sich dem Papst auf seinem
Gang zu Fuß durch die Favela entgegenstreckten, ebenso die leuchtenden Gesichter der
Menschen, die sich um Franziskus drängten, ja geradezu rissen - um zu ahnen, dass
das, was an diesem verregneten Wintertag in Varginha (in Brasilien ist Winter, Anm.
d. Red.) passierte, über Freude und ,ein Fest' weit hinausging: Da, wo Armut, Gewalt
und Hoffnungslosigkeit am größten sind, konnte Franziskus an diesem 25. Juli 2013
Licht ins Dunkel bringen.
Und sein Besuch dürfte über die Bildschirme auch
in so manche Baracke Brasiliens gedrungen sein. „Der Papst war zu Hause“, kommentierte
das brasilianische Fernsehen, das die Visite live übertrug. „Dieser Papst ist heilig“,
strahlt da eine Bewohnerin der Favela Varginha in die Kamera. „Der Maßstab für die
Größe einer Gesellschaft liegt in der Art, wie sie die behandelt, die am meisten Not
leiden, diejenigen, die nichts besitzen als ihre Armut“, sagt Franziskus in Varginha.
Nicht nur dem BRICS-Staat Brasilien dürfte das einen Stich ins Herz versetzt haben.