Rios Erzbischof Oraní Tempesta: „Die Kirche hat Bedürfnis nach Dialog“
Welche Kirche findet
Papst Franziskus in Brasilien vor? Und wie sieht der Erzbischof von Rio de Janeiro,
Orani Tempesta, die Proteste im Land, die auch während des Papstbesuches nicht abreißen?
Auf diese Fragen antwortete Erzbischof Tempesta am Montag bei einer Begegnung mit
Medienvertretern in Rio.
„Der Papst findet hier eine Weltkirche vor – junge
Leute aus der ganzen Welt sind hier, 80 Prozent kommen aus Lateinamerika. Und der
Papst aus Lateinamerika fühlt sich hier wohl. Brasiliens Kirche hat ihre Schwierigkeiten,
Schwierigkeiten der Evangelisierung, der Mission und ein großes Bedürfnis nach Missionarität,
nach einem Glauben, der im Dialog mit einer Gesellschaft steht, die sich verändert.“
Die
Zahl der Katholiken in Brasilien sinkt. So waren zur Zeit des ersten Besuches von
Papst Johannes Paul II. in Brasilien im Jahr 1980 noch 89 Prozent der Bevölkerung
katholisch, heute sind es nur noch 64 Prozent. In brasilianischen Großstädten wie
Rio de Janeiro stellen Katholiken etwa zwei Drittel der Stadtbevölkerung, in den Megametropolen
kommt auf 100.000 Gläubige oftmals nur ein einziger Pfarrer. In so einer Situation
in einen „Dialog mit der Gesellschaft“ zu treten, ist eine Herausforderung. Vielleicht
auch deshalb sieht Erzbischof Tempesta in den Protesten der letzten Wochen für Brasiliens
Kirche auch eine Chance: Der Wunsch der Demonstranten nach einer besseren Gesellschaft
trifft sich im Bestreben der Kirche nach mehr Gerechtigkeit besonders für die Ärmsten
und Schwächsten im Land, und mit der sozialen Mobilisierung, die das Land in dieser
Phase erlebt, könnten Kirche und die jungen, engagierten Vertreter der Zivilgesellschaft
Seite an Seite für eine bessere Zukunft eintreten.
„Brasiliens Kirche hat
keine Schwierigkeiten damit, diese Demos als Ausdruck eines Bedürfnisses der Menschen
nach einer gerechteren und menschlicheren Welt zu sehen. Wenn man die gewaltsamen
Proteste wegnimmt, die eine andere Bedeutung haben, glaube ich, dass diese Demonstrationen
den Wunsch der jungen Leute nach einer besseren Welt ausdrücken. Papst Franziskus
teilt diesen Wunsch und streckt ihnen die Hand aus, damit sie gemeinsam in einem Projekt
zusammenfinden können – mit unterschiedlichen Ideen und Ansichten und doch gemeinsam
engagiert für eine bessere Zukunft.“