D: Kirchliche Hilfswerke fordern Begründungspflicht bei Rüstungsexporten
Rüstungsexporte in
Deutschland sind zu wenig transparent, darin sind sich die kirchlichen Hilfswerke
Misereor und Brot für die Welt einig. Gemeinsam haben sie erst kürzlich eine aktuelle
Untersuchung zum Thema „Parlamentarische Kontrolle und Transparenz von Rüstungsexporten“
präsentiert. Volker Kasch ist Entwicklungspolitischer Beauftragter bei Misereor. Er
erklärt im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Wir haben diese Studie in Auftrag
gegeben weil hier ein großes Konfliktfeld in der deutschen Politik liegt: Die deutsche
Rüstungsexportpolitik findet im geheimen statt, sie wird ohne Information der Öffentlichkeit
und ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle getätigt, dazu noch auf der Grundlage
durchaus problematischer Verfahren. Wir haben diese Studie zu diesem Zeitpunkt in
Auftrag gegeben, weil wir den Bundestagswahlen entgegen sehen und weil es im Bundestag
eine Reihe von Anträgen gibt und auch Diskussionen gegeben hat, die uns zeigen, dass
hier Bewegung in die Debatte gekommen ist.“
Die Untersuchung des Internationalen
Konversionszentrums Bonn (BICC) vergleicht die Überprüfungsverfahren der Bundesrepublik
mit denen anderer europäischer Nachbarländer und der USA. Im Vergleich mit diesen
Ländern macht das deutsche System keine gute Figur:
„Wir können zeigen,
dass wir verglichen mit einigen Nachbarländern erhebliche Defizite an parlamentarische
Kontrolle haben. In Schweden, in Holland in Großbritannien und auch in den USA sind
die Parlamente weitaus stärker beteiligt, während sich die Beteiligung des Parlaments
in Deutschland auf die Entgegennahme des jährlichen Rüstungsexportberichts beschränkt
– der unserer Ansicht nach zu spät kommt, zu wenige Informationen gibt und auch zu
ungenaue Informationen.“
Angesichts der Tatsache, dass Deutschland bei
Rüstungsexporten an dritter Stelle steht, sei die Verantwortung besonders groß, so
Kasch. Nicht nur der Entwicklungsbeauftragte von Misereor sieht dringenden Verbesserungsbedarf
beim deutschen Verfahren zu den Rüstungsexporten. Sein Kollege bei Brot für die Welt,
Wolfgang Heinrich erläutert die gemeinsamen Forderungen:
„Unsere Vorschläge
haben konkret vier Elemente: Das eine ist ein qualifizierter und ein zeitnah vorzulegender
Rüstungsexportbericht. Wir sind der Meinung, dass das Parlament klarere Vorgaben geben
sollte, welche Informationen erfasst werden müssen, in welcher Systematik sie erfasst
werden müssen und wie zeitnah an den konkreten Entscheidungen dieser Bericht im Parlament
vorzulegen ist. Das ist bisher unserem Erachten nach ungenügend gelöst. Das zweite
ist, dass wir eine Begründungspflicht einfordern, dass also die Bundesregierung gegenüber
dem Parlament aktiv begründen muss, warum sie der Meinung ist, dass ein Export von
Rüstungsgütern zu mehr Frieden und mehr Gerechtigkeit beiträgt. Das dritte ist, dass
wir ein Verbandsklagerecht fordern, also die Möglichkeit von interessierten Fachverbänden,
getroffene Rüstungsentscheidungen auf dem Gerichtsweg überprüfen zu lassen und zum
Schluss fordern wir als viertes Element ein eigens einzurichtendes Kontrollgremium,
das allerdings nicht unter dem Geheimnisvorbehalt steht, sondern ein Kontrollgremium,
in dem die Bundesregierung berichtet und die Parlamentarier dann auch diese Berichte
der Bundesregierung für die Gesetzgebungsprozesse brauchen dürfen und damit auch Transparenz
herstellen können.“
Aktuell sei das Thema wieder im Fokus der Öffentlichkeit.
Bei Misereor und Brot für die Welt ist die Hoffnung groß, dass das Thema „Rüstungsexportpolitik“
auch nach dem Wahlkampf weiter im Fokus steht und wenigstens einige der Forderungen
umgesetzt werden können. Wolfgang Heinrich wünscht sich, dass vor allem die Begründungspflicht
für Rüstungsexporte eingeführt wird, um negative Folgen von Waffenlieferungen in Zukunft
zu vermeiden:
„Wir haben gesehen, dass z.B. die Waffen, die aus Europa an
die Regierung in Libyen geliefert worden sind, mit dem Argument, man müsse die nordafrikanischen
Länder stabilisieren und sie in die Lage versetzen, sich gegen alle möglichen Angriffe
zu wehren, dass genau diese Waffen später in Mali aufgetaucht sind und dort eine Regierung
destabilisiert haben und im weitflächigen Raum in der Zentralsahara mehr Unsicherheit
geschaffen haben als Sicherheit. Insofern denken wir, dass es der Bundesregierung,
wenn es eine solche Begründungspflicht gibt, sehr schwer fallen wird qualifiziert
nachzuweisen, dass Waffen tatsächlich eine positive Wirkung haben werden. Und mit
einer solchen Begründungspflicht ist auch die Hemmschwelle für positive Rüstungsexportentscheidungen
doch deutlich höher als zurzeit.“
Die vollständige Studie können Sie übrigens
auf der Internetseite des Internationalen Konversionszentrums Bonn nachlesen; die
Adresse lautet: bicc.de