Nordirland wird erneut
von gewalttätigen Unruhen erschüttert: Nachdem die Parade-Kommission des Landes sich
gegen eine Route protestantischer Märsche durch ein katholisches Gebiet entschieden
hatte, kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen. Die Kommission ist damit beauftragt,
die Märsche zu regulieren. Sie verbot dem Orange Order, auf dem Rückweg von der zentralen
Veranstaltung zum Gedenken an die Schlacht von Boyne 1690 die herkömmlichen Routen
durch katholische Wohngebiete zu nehmen.
„In der katholischen Gemeinde wurde
das als Sieg empfunden“, erklärt Robin Wilson, Ire und Spezialist für die Auseinandersetzungen
zwischen den beiden Gemeinschaften, die weit mehr sind als konfessionelle Streitpunkte,
auch wenn sich die Gruppen immer noch so bezeichnen. „In diesem Jahr kam die Gewalt
von der protestantischen Seite, während es in den vergangenen Jahren umgekehrt war.
Die Aufgabe der Parade-Kommission ist geradezu unmöglich, sie muss eine möglichst
faire Entscheidung in immer noch heftig umstrittenen Fragen treffen.“
Die
Märsche erinnern an die Schlacht von Boyne 1690, in der der protestantische König
William von Orange den katholischen König Jakob II. schlug. Bis heute marschieren
die sogenannten Orangemen jährlich, um an diesen Sieg zu erinnern. In der Vergangenheit
waren diese Märsche immer von Gewalt begleitet, bis diese in den 90er Jahren durch
Übereinkünfte zwischen den Parteien eingedämmt werden konnte. In diesem Jahr scheint
sie wieder auszuufern, wie der stellvertretende Polizeichef von Belfast, William Kerr,
in einem Pressestatement klarstellt, er wirft den Gewalttätigen Tötungsabsicht vor:
„Wenn
sie sich die Polizeihelme ansehen, die benutzt wurden, dann sehen sie dass die von
den zeremoniellen Schwertern getroffen wurden, von großen Steinen, mit Feuerwerk und
Eisenstangen und so weiter. Wenn man sich diesen Schaden anschaut, dann muss man sagen,
dass das nichts anderes war als ein Versuch, Polizisten zu töten.“ Die Polizei
erwartet nun vom Orange Order, dass er ihre Märsche koordiniert und friedlich durchführt
und zum Gewaltverzicht aufrufen, so Kerr.
„Es ist die raue Wirklichkeit,
die jetzt sichtbar wird, dass das der Friedensschluss in den 90ern die Situation nicht
wirklich verbessert hat“, erklärt der Politologe Wilson. „Es gibt seit den
Übereinkünften 1994 weniger Gewalt, aber das Good-Friday Agreement von 1998 hat nicht
zur Versöhnung in Nordirland geführt. Wir brauchen strukturelle Reformen der Institutionen,
die seit diesem Vertrag gegründet wurden, so dass sie zur Versöhnung einladen und
ermutigen und diese auch symbolisieren, anstatt wie bis jetzt die sektiererische Teilung
zu zementieren.“
Die Marschsaison in Nordirland dauert noch bis in den
August.