Kardinal Reinhard Marx hat erneut Reformen in der katholischen Kirche angemahnt. „Es
ist ein großes Geschenk, dass wir eine Weltkirche sind, und sehr wichtig, dass wir
den Nachfolger des Heiligen Petrus haben“, sagte der Erzbischof von München und Freising
am Samstagabend bei einem Glaubensgespräch in Berchtesgaden: „Wie das aber organisiert
ist, wie die Zentrale mit den Ortskirchen zusammenarbeitet, das ist höchst verbesserungsfähig.“
Es sei wichtig, dass Gläubige und Suchende „nicht beim Wort ‚Vatikan’ ein negatives
Bild im Kopf haben“, so Kardinal Marx: „Mittlerweile ist es bei vielen so. Wir sind
in einer Verteidigungshaltung, und manches kann ich gar nicht verteidigen, weil ich
es auch schrecklich finde.“ Als Beispiel nannte der Kardinal die aktuellen Geschehnisse
um die Vatikanbank: „Es wird der Kirche wirklich zum Schaden. Dass man eine Bank hat,
ist noch nicht das Schlimme. Wir wollen nur wissen, ob das Geld sauber ist, und wir
wollen auch wissen, wie es verwendet wird.“
„Trotz Schwächen an Kirche
festhalten“
Papst Franziskus wolle nicht, dass „die Kirche nach
außen verkündet, was sie nach innen nicht tut, dass die Menschen, die vom Glauben
reden, selber ungläubig sind, dass die Menschen, die von der Liebe reden, selber hassen,
dass die Menschen, die Amtsträger, die Barmherzigkeit Gottes verkünden, aber selbst
hartherzig sind“, so Kardinal Marx. Er plädierte dafür, trotz aller „Schwächen und
Fehler, die passieren und die passiert sind“, an der Kirche als „verlässliche, langfristige,
nachhaltige Gemeinschaft“ festzuhalten: „Wie hätte ich Jesus von Nazareth finden sollen
ohne die Gemeinschaft des Volkes Gottes?“. Das Evangelium besitze eine „weltverändernde
Kraft“, so der Erzbischof: „Eine Kirche der Zukunft kann ich mir nur vorstellen als
eine Kirche, die hineingeht in die Wunden der Welt, da wo Angst und Sünde und Krankheit
sind, Schwäche und Verzweiflung.“
Wiederverheiratete Geschiedene:
„Jeden Fall einzeln betrachten“
Konkret ging Kardinal Marx auch auf
den Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen ein: „Ich bin der Meinung,
dass sich da etwas ändern kann.“ Es gebe aber keine „generelle Lösung“, stattdessen
müsse jeder Einzelfall „im seelsorglichen Gespräch und auch im Blick auf die persönliche
Situation“ betrachtet werden. Nie dürfe ein Seelsorger Menschen vermitteln, dass Gott
sie nicht mehr liebe: „Das fände ich furchtbar. Dazu hat niemand ein Recht“, so Kardinal
Marx.
„Heiligkeit“ der Kirche
Der Erzbischof erläuterte
außerdem, warum die Kirche im Apostolischen Glaubensbekenntnis „heilig“ genannt werde:
„Heiligkeit ist keine moralische Kategorie, Heiligkeit bedeutet: Hier greift Gott
ein.“ Die Kirche sei nicht nur das, was die Menschen machten: „Das wäre mir zu wenig.
Da weiß ich nicht, ob ich dann noch in dieser Kirche bliebe.“ In den Sakramenten handle
Gott selbst, erklärte Kardinal Marx: „Deswegen möchte ich nicht leben ohne die Sakramente.
Ich kann mir mein Leben nicht vorstellen ohne die Messe.“
„Jeder
zweifelt“
„Phasen der Verborgenheit Gottes“ gehörten zu jeder wirklichen
Glaubensgeschichte, so der Erzbischof weiter: „Das nehme ich keinem ab, dass er noch
nie in seinem Leben gezweifelt hat.“ Es sei „ganz unmöglich“, immer alles zu glauben,
was die Kirche lehre, sagte Kardinal Marx: „Es geht darum, das Vertrauen zu haben,
dass wir insgesamt in der Gemeinschaft des Volkes Gottes auf einem guten Weg sind.“
Kindern und Jugendlichen könne man getrost sagen: „Du kannst gar nicht alles glauben
im Sinne des persönlichen Verstehens. Glaub einfach, dass du von Gott geliebt wirst,
und lass dich vom Glauben der Kirche tragen.“