Debatte um EKD-Papier: „Riss in Ökumene“ oder „Auf Linie Luthers“?
Kardinal Joachim Meisner
bittet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Orientierungshilfe zu Ehe
und Familie zurückzunehmen. Der Kölner Erzbischof sieht in dem Papier eine Relativierung
der christlichen Ehe und Familie. In der Orientierungshilfe werden auch Patchworkfamilien
und homosexuelle Partnerschaften als förderungswürdige Familienformen beschrieben.
Meisner sieht die Unterschiede im Familienverständnis der beiden Kirchen als ernste
Gefahr für die Ökumene. In einer Stellungnahme sagte er dem Kölner Domradio:
„Dieses
Orientierungspapier ist vom Anfang an inspiriert vom Zeitgeist und nicht vom Heiligen
Geist und auch nicht vom Evangelium, und darum bringt es mehr Verwirrung und Desorientierung,
als es vorher war. Und ich habe es nie für möglich gehalten, dass es einen so tiefen
Riss in der Ökumene gibt wie gerade auf dem wichtigen Feld von Ehe und Familie. Und
ich frage mich, was werden denn eigentlich unsere muslimischen Mitbürgerinnen und
Mitbürger über das Heilige Buch des Evangeliums, der Heiligen Schrift der Christen,
denken, wenn man sich bei dieser sog. ,Orientierungshilfe’ auf die Heilige Schrift
beruft. Ich kann die evangelische Kirche nur bitten, diese Orientierungshilfe schnellstens
zurückzuziehen und eine neue, vom Evangelium inspirierte Orientierungshilfe herauszugeben.“
Laut
Meisner redet das Papier „in eklatantem Widerspruch zu seinem Titel (…) der Beliebigkeit
und Relativierung von Ehe und Familie das Wort“. Dass man in der Seelsorge „gesamtgesellschaftliche
Veränderungsprozesse“ registriere, liege zwar auf der Hand, so der Kardinal. „Fatal
und ohne Bezug zu Christi Handeln“ sei es dagegen, diese „in den Rang eines Wahrheitskriteriums“
zu erheben. In der Orientierungshilfe zeige sich „in aller Deutlichkeit“, dass die
Ehe hier als „rein innerweltliche Institution, die durch andere Zweckverbindungen
ersetzt werden kann“, wahrgenommen werde.
Vatikan-Berater Imkamp: „Ganz
auf Linie Luthers“
Den Vatikan-Berater Wilhelm Imkamp überrascht das
EKD-Familienpapier nach eigener Aussage nicht. Die Orientierungshilfe sei „ganz auf
Linie Luthers“, eben weil sie die Ehe als „weltlich Ding“ und nicht als Sakrament
beurteile. Imkamp sagte in Berlin, überrascht habe ihn vielmehr die Kritik: „Wenn
ich die Ehe nicht als Sakrament sehe, kann ich damit auch machen, was ich will“. Er
sei der evangelischen Kirche sogar dankbar, dass sie ihre Position so deutlich formuliere,
ergänzte der als theologisch konservativ bekannte Prälat, der als Konsultor der Heiligsprechungs-
und Gottesdienstkongregation im Vatikan angehört. Vieles in der Ökumene sei „Wischi-Waschi“,
kritisierte Imkamp. Beide Seiten vermieden oft deutliche Worte. Mit dem Familienpapier
sei das anders. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) stellte in der vergangenen
Woche ihre Orientierungshilfe zum Thema Familie vor. Darin fordert sie, alle Familienformen
anzuerkennen und zu stärken. Dabei schließt sie auch Patchworkfamilien und homosexuelle
Partnerschaften ein. Kritiker, auch aus der evangelischen Kirche selbst, greifen das
Papier an, unter anderem weil es in ihren Augen die Ehe zwischen Mann und Frau entwertet.