Serbische Christen feiern Mailänder Edikt: „Ein Schritt nach dem anderen“
1.700 Jahre Religionsfreiheit:
Das wird in diesen Tagen in Serbien gefeiert. Warum gerade dort? Weil Kaiser Konstantin
aus Nis im heutigen Serbien stammt. Konstantin I., Kaiser der westlichen Hälfte des
Römischen Reichs, erließ im Jahr 313 zusammen mit seinem östlichen Kollegen Licinius
das Mailänder Toleranzedikt.
Statt „Edikt“ müsste man genauer „Vereinbarung“
sagen. Der Inhalt:Jeder darf sich frei zu der Religion seiner Wahl bekennen, auch
die Christen. „Die Feiern in Serbien könnten eine Gelegenheit sein, um im ökumenischen
Dialog Schritte nach vorn zu machen“, urteilt der Päpstliche Nuntius Orlando Antonini
im Gespräch mit Radio Vatikan.
„Als ich 2009 in Serbien anfing,war eine
großartige Idee im Gespräch: nämlich 2013 in Nis alle Führer von christlichen Kirchen
zusammenzubringen. Den Papst, die orthodoxen Patriarchen, die Leiter der historischen
protestantischen Konfessionen. Man dachte damals, der Anlass und der Ort könnten ein
angemessen ,neutraler’ Raum sein für ein solches historisches Zusammentreffen.“
Eine
„Großartige Idee“ – nur wurde nichts daraus. Erst recht nicht aus dem Plan, auf serbischem
Boden einmal eine Begegnung zwischen dem Papst und dem orthodoxen Patriarchen von
Moskau zu organisieren. Ein solches Treffen hat es in der Geschichte noch nicht gegeben.
„Als
man auf das Kleingedruckte sah, stellte sich heraus, dass verschiedene Teile der serbisch-orthodoxen
Gesellschaft sich einem Kommen des Papstes widersetzten. Das hängt mit noch ungelösten
historischen Problemen zwischen Serben und Kroaten wegen der Verbrechen des Ustasha-Regimes
während des Zweiten Weltkrieges zusammen. Erst solle der Papst um Verzeihung bitten,
forderten sie, weil in ihren Augen die katholische Kirche allgemein für diese Verbrechen
verantwortlich war, und dann könne er kommen. Andere sahen das allerdings nicht so;
man kann sogar sagen, dass ein guter Teil der serbischen Kirche einem Papstbesuch
durchaus freundlich gegenübergestanden wäre.“
Das galt auch für den serbisch-orthodoxen
Patriarchen Irinej von Belgrad. Als er im Januar 2010 an die Kirchenspitze gewählt
wurde, sprach er zunächst offen von der Möglichkeit einer Papstreise zu den 1.700-Jahrfeiern
des Mailänder Edikts. Wenig später allerdings kamen dann Bedenken aus dem Heiligen
Synod der Kirche.
„Aus Gründen der Vorsicht, um ein mögliches Schisma in
ihrem Innern zu vermeiden, aber auch um keine Schwierigkeiten mit anderen orthodoxen
Kirchen zu bekommen, hat die serbisch-orthodoxe Kirche nicht den nötigen Konsens erreicht,
der eine für beide Seiten fruchtbare Papstreise möglich gemacht hätte. Das führt dazu,
dass nun jede Kirche mit eigenen Initiativen das Jubiläum des Edikts feiert – allerdings
werden dazu jeweils Vertreter der anderen Kirchen eingeladen. Zu den zentralen orthodoxen
Feiern im kommenden Oktober zum Beispiel werden ausdrücklich höchste Vatikanvertreter
eingeladen, wenn auch nicht spezifisch der Papst.“
Immerhin sei es dem
derzeitigen serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic gelungen, die Kirchen „enger zusammenzubringen“:
Er habe nämlich ein nationales Komitee für die Feiern gegründet, das der Präsident
selbst leite. Co-Präsident sei Patriarch Irinej, zu den Mitgliedern gehörten die katholische
Kirche und die örtlichen protestantischen Gemeinschafen. Den Nuntius erinnert das
daran, wie einst Kaiser Konstantin 325 Kirchenvertreter zum Konzil von Nicäa zusammenbrachte.
„Ich
weiß nicht, wie das 1.600-Jahr-Jubiläum des Edikts im Jahr 1913 gefeiert wurde, aber
ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht so ökumenisch war wie jetzt, im Jahr 2013.
Einen Schritt nach dem anderen... Vielleicht werden wir im Jahr 2113, dank dem Heiligen
Geist und dank Konstantin und Helena endlich alle zusammen feiern können, in einer
endlich wieder ungeteilten Kirche, wenn der 1.800. Geburtstag des Mailänder Edikts
ins Haus steht!“
Vatikan-Erzbischof Orlando Antonini bringt die bleibende
Bedeutung des Mailänder Edikts so auf den Punkt: Es gebe nicht nur den Christen Religionsfreiheit,
sondern betone auch die Gewissensfreiheit überhaupt aller Menschen. Das sei die wichtigste
Botschaft des Textes für heute, hier hätten viele Staaten noch Nachholbedarf.
„In
den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung brachte das von Christen vergossene
Blut die politisch Verantwortlichen dazu, die Gesetze zur Religionsfreiheit zu ändern
– auch weil die Christen geeint waren. Darum müssten die Christen heute, um endlich
das Mailänder Edikt auch für die Gewissensfreiheit aller durchzusetzen, ihre Spaltungen
überwinden und sich angesichts der Herausforderungen der modernen Gesellschaft untereinander
verbünden.“
Doch der Alltag, den der Vatikan-Botschafter auf dem Balkan
erlebt, ist heute ein ganz anderer. Der Konflikt zwischen orthodoxen Serben und katholischen
Kroaten scheint ihm „einer der kompliziertesten des Planeten“.
„Ein Knäuel,
das schwer zu entwirren ist – viel älter als die Gemetzel im Zweiten Weltkrieg, es
geht auf die Jahrzehnte, ja vielleicht sogar auf die Jahrhunderte zuvor zurück. Ich
fürchte, keine historische Forschung wird je mit Bestimmtheit sagen können, welche
Seite einmal mit den Feindseligkeiten angefangen hat! Die geistliche Einheit der Christen
ist also nicht nur etwas Wichtiges, sondern etwas Essentielles, um weitere Dramen
zu verhindern.“
Der Nuntius hält es „für sehr wichtig, dass die Balkanländer
in die Europäische Union kommen“.
„In einem politischen Rahmen, der größer
als ihr eigener ist, könnte man das Entstehen einer pluri-ethnischen Gesellschaft
fördern, in der die einzelnen kulturellen Komponenten friedlich zusammenleben und
ihr jeweiliges Potential fürs Allgemeinwohl fruchtbar machen.“
Zurück
zu den Feiern des Mailänder Edikts: Alle katholischen Bistümer haben dazu eigene Feiern,
Veranstaltungen, Gebetsinitiativen.
„Die zentrale Feier der Katholiken
findet am 20. und 21. September in Nis statt. Der Mailänder Kardinal Angelo Scola
wird einen Kreuzweg durch die Stadt führen, zur Erinnerung an das von Konstantins
Mutter in Jerusalem aufgefundene Kreuz, und auch zur Erinnerung an die Kreuzvision
des heiligen Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke in Rom 312. Die
Schlussfeier findet im örtlichen Stadion statt.“
Die Katholiken machen
in Serbien allerdings nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung aus; die meisten davon
leben im Norden, in der Vojvodina, nicht auf dem Territorium des Erzbistums Belgrad.
Darum ermuntern die katholischen Bischöfe Christen aus dem Ausland zu Pilgerreisen
nach Nis.