2013-06-20 11:48:43

Sitzung von Hilfswerken im Vatikan zu Ende


RealAudioMP3 Vertreter der kirchlichen Hilfswerke für die Ostkirchen haben sich im Vatikan getroffen und drei Tage lang vor allem über die Situation der Christen im Nahen Osten und über die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen in den einzelnen betroffenen Ländern diskutiert. Am Donnerstag wurden die Teilnehmer an dem Treffen von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Matthias Vogt von Missio Aachen hat die Gespräche bei den ROACO-Sitzungen moderiert. Wir fragten ihn am Mittwochnachmittag, was die Hauptpunkte waren, die während der Versammlung angesprochen wurden:

„Wir hatten während der Sitzungen Gäste aus verschiedenen Ländern. Das erste Thema war Syrien. Wir haben natürlich über den Bürgerkrieg in Syrien gesprochen, über die Situation der Christen – und über das, was die Kirche jetzt tun sollte. Das zweite Thema war Ägypten. Der Patriarch der koptisch-katholischen Kirche Ibrahim Issac Sidrak war zu Gast und hat uns von der Situation der Christen am Nil berichtet. Anschließend konnten wir mit dem Patriarchen der chaldäischen Kirche in Bagdad über die Situation im Irak sprechen. Und am Mittwochmorgen stand das Heilige Land auf dem Programm. Der Nuntius war anwesend und hat uns zusammen mit dem Kustos der Franziskaner über die Situation in Israel, Palästina und Jordanien berichtet.“

Ein ganz großes Thema ist ja wohl auch die Landflucht der Christen aus dem Nahen Osten. Gab es da konkrete Hinweise oder Ideen, was man tun könnte, um den Christen zu helfen, in ihren Ländern zu verbleiben?

„Es ist natürlich gerade während der Kriegssituation in Syrien ein großes Thema, dass nicht nur Christen, sondern alle Syrier versuchen, aus dem Land zu fliehen. In Ägypten gibt es immer wieder Berichte, dass immer mehr Christen das Land verlassen – auch wenn es den großen Exodus nicht gibt. Im Irak wurde beklagt, dass mehr als die Hälfte der ursprünglich eine Million Christen seit 2003, seit dem Irakkrieg, das Land verlassen haben. Und auch in Israel und Palästina sind nur noch ganz wenige Christen übrig.

Es wurde mehrfach von Teilnehmern angesprochen, dass die Kirche mehr dafür tun müsste, dass sich christliche Führungskräfte, Laien besser in der Politik engagieren können: Ausbildung christlicher Soziallehre, praktische Ausbildung, Politik zu machen für eine gerechtere Gesellschaft - damit sich Christen nicht für den Schutz von Christen im Nahen Osten, sondern für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle einsetzen können.“

Ein Gesprächsthema war auch das Koordinieren von Aktionen, die gestartet werden sollen. Kardinal Sandri hatte beklagt, dass die Hilfe oft nicht da ankommt, wo sie gebraucht wird. Was haben Sie denn darüber besprochen?

„Es ist für uns ganz wichtig, beim Treffen der Hilfswerke zweimal im Jahr zusammenzusitzen, um zu schauen, welches Hilfswerk fördert eigentlich welche kirchlichen Partner in der Region, um zu verhindern, dass es zu Doppelfinanzierungen kommt, um zu verhindern, dass doppelte Strukturen aufgebaut werden vor Ort, und um einfach praktische Informationen auszutauschen. Das haben wir diesmal auch wieder getan. Wir sind gemeinsam eine Liste von etwa 25 Projektanträgen, die aus dem Nahen Osten an die Kongregation für die Ostkirchen gegangen sind, durchgegangen und haben gemeinsam beschlossen, wer versucht, Spenden zu werben für welche Projekte, um sie dann zu finanzieren.“

Der chaldäische Patriarch Raphael Louis I. Sako von Bagdad ist dafür eingetreten, dass die Kirche und auch der Vatikan sich noch stärker als bisher in Problemgebieten engagieren sollten. Was meinte er genau damit?

„Er hat den Wunsch geäußert, dass sich die Kirche nicht in Kleinigkeiten verliert, nicht versucht, hier und da ein kleines Hilfsprojekt zu machen, was dann den Menschen zwar lokal hilft, aber letztlich keine dauerhafte Perspektive bietet. Und mit Blick auf die Auswanderung von Christen aus dem Irak, aber auch aus anderen Ländern des Nahen Ostens, meint er, dass wir alle zusammen – Rom, die Kirche im Irak, die Hilfswerke in Europa und Amerika – gemeinsam eine große Perspektive für die Zukunft der Christen im Nahen Osten entwickeln müssen, eine politische Perspektive, aber auch wirtschaftliche Überlebensmöglichkeiten. Die Möglichkeit, günstigen Wohnraum in den großen Städten zu haben, die Möglichkeit, Jobs zu finden – und die Möglichkeit, als gleichberechtigte Bürger in den Ländern zu leben. Hier meint Sako sicherlich, dass sich der Vatikan, der Heilige Stuhl auf diplomatischer Ebene bei den Regierungen der jeweiligen Ländern stärker einbringen soll. Aber auch, dass die Kirche selbst ein gesellschaftliches Programm in den Ländern entwickeln muss.“

Sie haben eben auch die Situation in Ägypten angesprochen. Wie stellt sich die Lage denn momentan dar?

„Es gibt in Ägypten seit gut einem Jahr eine immer stärkere Islamisierung der Gesellschaft. Präsident Mursi, der aus den Reihen der Muslim-Brüder kommt, durchsetzt die mittlere und obere staatliche Verwaltungsebene offensichtlich ganz zentral mit eigenen Parteigängern, entlässt bisherige, langgediente Beamte, und die Befürchtung ist, dass das ein Prozess ist, der nur sehr schwer rückgängig zu machen sein wird, und dass Christen im Land immer mehr diskriminiert werden.

Auf der anderen Seite haben wir den Verfassungsprozess, der die Rechte der nichtmuslimischen Religionsangehörigen im Land, vor allem der Christen, nicht in ausreichender Weise berücksichtigt, weil in der Verfassung zu viele Unterschiede gemacht werden zwischen Muslimen auf der einen Seite und Christen und Juden auf der anderen Seite. Die katholische Kirche bemüht sich seit einiger Zeit gemeinsam mit der orthodoxen Kirche und den protestantischen Gruppen im Land mit dem neugegründeten Rat der Christlichen Kirchen, in Ägypten politischen Einfluss zu nehmen. Sie müssen aber leider feststellen, dass die Kooperationsbereitschaft seitens der Politik zwar mündlich geäußert wird – wenn es aber praktisch wird, werden keine Lösungen gefunden. Es gibt immer wieder Rückschläge, das hat die Kirchenvertreter und auch Patriarch Ibrahim, der bei unserer Sitzung war, doch sehr enttäuscht.“

Kurz wurde wohl auch über die Situation im Iran gesprochen. Was für eine Stimmung herrschte denn in Hinblick auf den neuen Präsidenten, zu den neuen Perspektiven, die sich jetzt auch im Iran auftun?

„Der neu gewählte iranische Präsident Rohani hat bei einigen zunächst die Hoffnung aufkeimen lassen, dass sich im Iran vielleicht etwas ändert, auch für die Kirche etwas ändert. Es ist aber eigentlich zu früh, und das meinten auch die Vertreter aus der Region, um dazu etwas Definitives zu sagen. Man muss jetzt erst einmal abwarten und schauen, was passiert. Fragen der Nichtmuslime, Fragen der Christen werden ganz bestimmt nicht oben auf der Tagesordnung des neugewählten Präsidenten stehen. Da gibt es ganz andere Themen, die für die iranische Gesellschaft insgesamt wichtig sind.“

Und was war ein Thema, das für Sie und Missio Aachen eine besondere, herausragende Bedeutung hatte?

„Für Missio ist ganz wichtig, wie wir konkret Hilfe in der Bürgerkriegssituation in Syrien leisten können. Es ist nicht einfach, Hilfe dorthin zu bringen. Es gibt kirchliche Einrichtungen, es gibt Schwesternkongregationen, es gibt Bistümer, über die wir zuverlässig Hilfe leisten können. Es ist aber sehr schwer, diese Hilfe zu koordinieren. Und für uns war es wichtig, von den Vertretern in Syrien zu erfahren, was wir machen können und wo wir helfen können, damit die Hilfe, die wir dank unserer Spender nach Syrien geben können, auch wirklich bei den Menschen ankommt.“

(rv 20.06.2013 cs)









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