2013-06-17 16:29:14

Vatikan/Venezuela: „Rolle des Papstes in dieser Situation fundamental“


RealAudioMP3 Der neue venezolanische Präsident hofft, dass die katholische Kirche „sozialer Kitt“ in seinem gespaltenen Land sein kann, und in dieser Optik ist auch sein Besuch beim ersten lateinamerikanischen Papst auf dem Stuhl Petri zu werten. Dies ist die Einschätzung des Venezuela-Referenten beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Reiner Wilhelm sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:


„Nicolás Maduro steht intern unheimlich unter Druck. Einerseits wirft ihm die Opposition nach wie vor Wahlbetrug vor. Andererseits ist auch in den eigenen Reihen der interne Machtkampf noch nicht zu Ende. Insofern muss er auch Alliierte suchen, und die versucht er bei der Kirche zu finden.“


Maduros knapper Wahlsieg ist auch international umstritten; es soll Unregelmäßigkeiten, Manipulationen und Einschüchterung von Wählern gegeben haben. Die sozialen Spannungen in Venezuela hätten mit Maduros Wahl „immens zugenommen“, urteilt Wilhelm. Auch Papst Franziskus hatte sich im April tief besorgt über die Lage in Venezuela gezeigt. Insgesamt befinde sich das Land, in dem – wie Medien berichteten – zuletzt Klopapier und sogar der Messwein knapp wurden, in einer schwierigen Lage, so Wilhelm: die Inflation sei „galoppierend“, ebenso die Korruption, Gewalt greife um sich. Die Gesellschaft sei inzwischen nicht nur „polarisiert“, sondern „gespalten“, so Wilhelm. Maduro hoffe vor diesem Hintergrund auf den Einsatz der katholischen Kirche:


„Deshalb hat Maduro ja auch an die Kirche appelliert, mitzuhelfen, wieder aufzubauen, sich an einen Tisch zu setzen. Die Kirche hat darauf regiert und versucht, auch ihrerseits Brücken zu bauen. Aber im Volk selber ist die Situation sehr sehr schwierig geworden. Auch die Gewaltsituation hat sich immens verschärft: Für ein Stück Brot kann es einem passieren, dass man überfallen wird und verletzt wird. Die Situation ist sehr stark eskaliert, und man weiß auch nicht, wo es hingeht. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Situation verbessert und die Kirche in der Lage ist, den Dialog mit den verfeindeten Gruppen zu schaffen.“

Dass Maduro gerade bei der Kirche „Alliierte“ suchen soll, mag überraschen. Das Verhältnis der sozialistischen Regierung von Hugo Chávez zu den Bischöfen war angespannt. Das schlug sich unter anderem auch darin nieder, dass er der Kirche den Geldhahn abdrehte, aus dem diese u.a. Sozialprojekte finanzierte. Sein Ziehsohn Maduro hatte zuletzt angekündigt, die Politik seines Vorgängers fortzusetzen. Auch den Umgang mit der Kirche im eigenen Land? Dazu Wilhelm:


„Er versucht natürlich, die Kirche für sich zu benutzen. Aber der Zielpunkt seiner Politik sind die Armen. Er kommt ja selber aus recht einfachen Verhältnissen und ist geprägt durch die Gewerkschaftsbewegung, die ja vor allem bei den Arbeitern und bei den armen Leuten starken Rückhalt hat. Deshalb spielt er mit der einfachen Volksreligiosität der Menschen, und da benutzt er regelmäßig diese Symbole.“
Symbole, wie sie auch Chávez benutzte, der in Venezuela inzwischen als „Heiliger“ verehrt werde, so Wilhelm. Dies treibe bisweilen seltsame Blüten – der Adveniat-Referent zitiert eine Anmerkung von Maduro zur Wahl von Papst Franziskus, eines Lateinamerikaners, auf den Stuhl Petri:

„Maduro sprach genau diese Volksgruppen an, indem er sagte, unser Führer, nämlich Chavez, ist in den Himmel aufgestiegen und sitzt Jesus Christus gegenüber, sie schauen sich in die Augen, und Chavez ist derjenige gewesen, der Gott dazu brachte, einen Papst aus Lateinamerika zu wählen!“


Angesichts der Spannungen in seinem Land rief der Führer der venezolanischen Opposition, Henrique Capriles, derweil in einem Brief an Papst Franziskus zu einem Dialog auf, „der auf Wahrheit gründet“, um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. Darin warf er der Regierung Maduro vor, Menschen aus politischen Motiven einzusperren, während die staatlich gelenkten Medien gezielt Fehlinformationen verbreiteten. Auch ein Vertreter der venezolanischen Opposition wird übrigens in den kommenden Tagen in Rom sein und könnte den Papst treffen. Inwieweit kann Franziskus eine Verbesserung der schwierigen Lage in Venezuela bewirken? Wilhelm sieht eine besondere Chance in der Tatsache, dass Franziskus aus Südamerika kommt:


„Papst Franziskus hat ja einige Akzente gesetzt, die typisch lateinamerikanisch sind. Er hat z.B. eine starke Marienfrömmigkeit, das kommt den Venezolanern sehr entgegen, die ein sehr marianisches Volk sind. Es ist jemand, der zuhört, der auf Dialog setzt, der die Sprache der Menschen spricht, der die Sprache der Armen spricht. Und gerade Venezuela hat ja im Mittelpunkt seiner Politik, der Chavismus an sich, die Armen in den Mittelpunkt der Politik überhaupt gestellt und hat sie zu Subjekten der Politik gemacht, was ja in der frühere Regierung überhaupt nicht der Fall gewesen ist.
Also die Hoffnung (dass der Papst für Venezuela etwas verbessern kann, Anm. d. Red.) ist durchaus begründet. Wenn dies wirklich möglich ist, dann durch die Kirche. Und es könnte auch wirklich dieser Papst sein, der einfach auch diese Möglichkeiten nutzen kann, die er von seinem Amt her hat und die er von dem Vertrauen her hat, das beide Seiten in ihn setzen. Also die Rolle des Papstes wird in der aktuellen Situation sicherlich fundamental und sicherlich sehr speziell und auch wichtig sein.“


(rv 17.06.2013 pr)








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