2013-06-14 12:00:31

Erste Begegnung: Papst und anglikanischer Primas


RealAudioMP3 „Sie kommen hier nicht in ein fremdes Haus. Sie sind kein Gast und kein Fremder, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.“ Mit diesen Worten hat Papst Franziskus den anglikanischen Primas Justin Welby an diesem Freitag im Vatikan empfangen. Der Papst machte sich damit ein Zitat seines Vorgängers Paul VI. zu eigen, der 1966 mit Erzbischof Michael Ramsey erstmals seit der Reformation einen anglikanischen Primas getroffen hatte. Die Linie dieser historischen Begegnung wurde nun in Rom weitergezogen. „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ ist außerdem eine Anspielung auf den Epheserbrief des Völkerapostels Paulus.

Sowohl Franziskus wie Justin Welby sind neu in ihren jeweiligen Ämtern, beide wurden Mitte März Papst bzw. anglikanischer Erzbischof von Canterbury. Auf Welbys Wunsch kam es nun zu dieser frühen Begegnung im Vatikan. „Ein glückliches Ereignis“, so sagte es Franziskus in seiner Ansprache. „Ich weiß, dass Sie während Ihres Amtsantritts in der Kathedrale von Canterbury im Gebet an den neuen Bischof von Rom gedacht haben. Dafür danke ich Ihnen sehr, und weil wir unsere Dienstämter ungefähr zeitgleich begonnen haben, werden wir immer ein spezielles Motiv haben, um uns gegenseitig im Gebet zu unterstützen!“

„Lang“ sei sie und „komplex“, die Geschichte der Beziehungen zwischen der Kirche von England und der Kirche von Rom, „auch nicht frei von schmerzlichen Momenten“, so der Papst. „In den letzten Jahrzehnten aber haben wir uns einander angenähert: durch den theologischen Dialog und durch das Knüpfen herzlicher Kontakte und durch das tägliche Zusammenleben auf allen Ebenen. Die Stärke der Bande, die uns einen, hat uns auch dann erlaubt, Kurs zu halten, als im theologischen Dialog größere Schwierigkeiten aufgetaucht sind, als wir zunächst erwartet hatten.“

Die Frage des kirchlichen Amtes bleibt besonders schwierig zwischen Rom und dem Lambeth Palace: Die anglikanische Kirche erlaubt die Priester- und Bischofsweihe von Frauen, diese und weitere Entwicklungen haben sie auch einer inneren Zerrreißprobe ausgesetzt. Franziskus` Vorgänger Benedikt XVI. richtete für Anglikaner, die zur römisch-katholischen Kirche überwechseln wollten, eigene kirchliche Strukturen ein. Franziskus dazu:

„Ich danke der Kirche von England für ihre ehrliche Bemühung, die Gründe zu verstehen, die Benedikt dazu bewogen hatten, diese kanonische Struktur einzurichten. Ich glaube, dass diese Struktur der katholischen Welt auch erlauben wird, die geistlichen, liturgischen und pastoralen Traditionen, die das anglikanische Erbe ausmachen, besser kennenzulernen und wertzuschätzen!“

Die Suche nach der christlichen Einheit geschehe „nicht aus praktischen Gründen“, sondern leite sich aus dem Willen Jesu selbst her, fuhr Papst Franziskus fort. Er hoffe darauf, dass Katholiken und Anglikaner ein stärkeres gemeinsames „Zeugnis von Gott und von den christlichen Werten“ gäben „in einer Gesellschaft, die manchmal die Basis des Zusammenlebens selbst in Frage stellt“.

„Ich denke an den Respekt vor der Heiligkeit menschlichen Lebens oder an den soliden Charakter der Familie, die auf der Ehe beruht. Das ist ein Wert, an den auch Sie kürzlich erinnert haben.“

Primas Welby sprach sich unlängst entschieden, aber wohl vergeblich gegen ein Gesetzesprojekt in Großbritannien aus, das eine gleichgeschlechtliche Ehe erlauben soll.

„Dann gibt es da noch den Einsatz für mehr soziale Gerechtigkeit, für ein Wirtschaftssystem im Dienst am Menschen und im Dienst des Gemeinwohls. Es gehört zu unseren Aufgaben, dem Schrei der Armen Gehör zu verschaffen, damit sie nicht den Gesetzen einer Wirtschaft ausgeliefert werden, die den Menschen häufig nur als Konsumenten wahrnimmt.“

Hier sprach Franziskus ein Anliegen an, das ihn mit dem früheren Ölmanager Welby stark verbindet. Zwar sind Papst und Primas wohl theologisch nicht so nahe beieinander wie ihre jeweiligen Vorgänger Benedikt XVI. und Rowan Williams, doch im Einsatz für die Armen liegen sie ganz auf einer Linie.

„Ich weiß, dass Sie für diese Themen besonders sensibel sind. Wir teilen da viele Vorstellungen. Ich bin auch auf dem Laufenden über Ihr Engagement für Versöhnung und Konfliktlösung zwischen den Nationen. Sie haben zusammen mit (dem katholischen Londoner) Erzbischof Vincent Nichols eine friedliche Lösung für den syrischen Konflikt gefordert. Dabei soll die Sicherheit der ganzen Bevölkerung garantiert werden, auch der Minderheiten, darunter die antiken christlichen Gemeinschaften. Wie Sie einmal gesagt haben, haben wir Christen einen Schatz des Friedens und der Gnade, den wir der Welt bringen sollen; aber diese Gaben tragen nur dann Frucht, wenn die Christen in Harmonie zusammenleben und -arbeiten. Es wird dann auch einfacher sein, respektvolle und friedliche Beziehungen zu anderen Religionen und auch zu den Nichtglaubenden zu unterhalten.“

Auch Primas Welby erinnerte in einer Ansprache an den ökumenischen Durchbruch zwischen Anglikanern und Katholiken zur Zeit seines Vorgängers Erzbischof Michael Ramsey in den sechziger Jahren.

„Ich selbst werde schon seit vielen Jahren vom großen Corpus der katholischen Soziallehre inspiriert, habe auch mit katholischen Gruppen darüber gearbeitet; ich habe mich oft zu Exerzitien bei neuen katholischen Gemeinschaften zurückgezogen und werde vom Prior einer solchen Gemeinschaft geistlich begleitet. Ich fühle mich also wirklich, so wie es Paul VI. zu Erzbischof Michael sagte, zuhause hier.“

Er hoffe, so Erzbischof Welby, „dass die zeitliche Nähe unseres jeweiligen Amtsantritts etwas für die Versöhnung der Welt und der Kirche zu leisten vermag“.

„Wie Sie gesagt haben, müssen wir die Früchte unseres Dialogs bekanntmachen und in Gebet und Verkündigung unsere Einheit ausdrücken. Nur wenn die Welt die Christen sichtbar in der Einheit wachsen sieht, wird sie von uns die göttliche Botschaft von Frieden und Versöhnung annehmen. Der Weg ist allerdings schwierig, und wir können die Schwierigkeiten nicht leugnen, auf die wir stoßen, wenn wir den christlichen Glauben in der modernen Gesellschaft bezeugen wollen. Unser Ziel ist allerdings groß genug, um die Anstrengung der Reise zu rechtfertigen.“

Das war ein Zitat aus der zweiten Enzyklika von Papst Benedikt XVI. über die Hoffnung.

Der Primas, der vor allem in Afrika immer wieder bei Konflikten geschlichtet hat, ging in seiner Ansprache auch auf die Themen Armut und Nächstenliebe ein:

„Unser Weg nach vorne muss die hingebende Liebe Christi widerspiegeln! Wir müssen sein Kreuz tragen und uns selbst sterben, um mit Christus zu leben. Das wird sich an unserer Hinwendung und Liebe zu den Armen zeigen. Wir müssen die lieben, die sich uns entgegenstellen, und vor allem all jene lieben, die bei den derzeitigen Krisen in aller Welt beiseite geschubst werden – sogar ganze Nationen. Während wir jetzt zusammen sprechen, leiden unsere Brüder und Schwestern in Christus furchtbar unter Gewalt, Unterdrückung und Krieg, schlechter Regierungsführung und ungerechten Wirtschaftssystemen. Wenn wir uns nicht im Namen Christi zu ihren Fürsprechern machen, wer denn sonst?“

Etwas mehr als dreißig Minuten lang führten Papst und Primas ein Gespräch hinter verschlossenen Türen; dann stellte Welby Franziskus die aus England Mitgereisten vor. Das waren u.a. seine Ehefrau, die vom Papst einen Rosenkranz geschenkt bekam, und der katholische Erzbischof Nichols von Westminster. Die beiden Kirchenführer beteten auch in der Vatikankapelle Redemptoris Mater einen Moment zusammen und gingen dann zusammen zum Mittagessen.

(rv 14.06.2013 sk)








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