„Sie kommen hier nicht
in ein fremdes Haus. Sie sind kein Gast und kein Fremder, sondern Mitbürger der Heiligen
und Hausgenossen Gottes.“ Mit diesen Worten hat Papst Franziskus den anglikanischen
Primas Justin Welby an diesem Freitag im Vatikan empfangen. Der Papst machte sich
damit ein Zitat seines Vorgängers Paul VI. zu eigen, der 1966 mit Erzbischof Michael
Ramsey erstmals seit der Reformation einen anglikanischen Primas getroffen hatte.
Die Linie dieser historischen Begegnung wurde nun in Rom weitergezogen. „Mitbürger
der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ ist außerdem eine Anspielung auf den Epheserbrief
des Völkerapostels Paulus.
Sowohl Franziskus wie Justin Welby sind neu in ihren
jeweiligen Ämtern, beide wurden Mitte März Papst bzw. anglikanischer Erzbischof von
Canterbury. Auf Welbys Wunsch kam es nun zu dieser frühen Begegnung im Vatikan. „Ein
glückliches Ereignis“, so sagte es Franziskus in seiner Ansprache. „Ich weiß, dass
Sie während Ihres Amtsantritts in der Kathedrale von Canterbury im Gebet an den neuen
Bischof von Rom gedacht haben. Dafür danke ich Ihnen sehr, und weil wir unsere Dienstämter
ungefähr zeitgleich begonnen haben, werden wir immer ein spezielles Motiv haben, um
uns gegenseitig im Gebet zu unterstützen!“
„Lang“ sei sie und „komplex“, die
Geschichte der Beziehungen zwischen der Kirche von England und der Kirche von Rom,
„auch nicht frei von schmerzlichen Momenten“, so der Papst. „In den letzten Jahrzehnten
aber haben wir uns einander angenähert: durch den theologischen Dialog und durch das
Knüpfen herzlicher Kontakte und durch das tägliche Zusammenleben auf allen Ebenen.
Die Stärke der Bande, die uns einen, hat uns auch dann erlaubt, Kurs zu halten, als
im theologischen Dialog größere Schwierigkeiten aufgetaucht sind, als wir zunächst
erwartet hatten.“
Die Frage des kirchlichen Amtes bleibt besonders schwierig
zwischen Rom und dem Lambeth Palace: Die anglikanische Kirche erlaubt die Priester-
und Bischofsweihe von Frauen, diese und weitere Entwicklungen haben sie auch einer
inneren Zerrreißprobe ausgesetzt. Franziskus` Vorgänger Benedikt XVI. richtete für
Anglikaner, die zur römisch-katholischen Kirche überwechseln wollten, eigene kirchliche
Strukturen ein. Franziskus dazu:
„Ich danke der Kirche von England für
ihre ehrliche Bemühung, die Gründe zu verstehen, die Benedikt dazu bewogen hatten,
diese kanonische Struktur einzurichten. Ich glaube, dass diese Struktur der katholischen
Welt auch erlauben wird, die geistlichen, liturgischen und pastoralen Traditionen,
die das anglikanische Erbe ausmachen, besser kennenzulernen und wertzuschätzen!“
Die
Suche nach der christlichen Einheit geschehe „nicht aus praktischen Gründen“, sondern
leite sich aus dem Willen Jesu selbst her, fuhr Papst Franziskus fort. Er hoffe darauf,
dass Katholiken und Anglikaner ein stärkeres gemeinsames „Zeugnis von Gott und von
den christlichen Werten“ gäben „in einer Gesellschaft, die manchmal die Basis des
Zusammenlebens selbst in Frage stellt“.
„Ich denke an den Respekt vor der
Heiligkeit menschlichen Lebens oder an den soliden Charakter der Familie, die auf
der Ehe beruht. Das ist ein Wert, an den auch Sie kürzlich erinnert haben.“
Primas
Welby sprach sich unlängst entschieden, aber wohl vergeblich gegen ein Gesetzesprojekt
in Großbritannien aus, das eine gleichgeschlechtliche Ehe erlauben soll.
„Dann
gibt es da noch den Einsatz für mehr soziale Gerechtigkeit, für ein Wirtschaftssystem
im Dienst am Menschen und im Dienst des Gemeinwohls. Es gehört zu unseren Aufgaben,
dem Schrei der Armen Gehör zu verschaffen, damit sie nicht den Gesetzen einer Wirtschaft
ausgeliefert werden, die den Menschen häufig nur als Konsumenten wahrnimmt.“
Hier
sprach Franziskus ein Anliegen an, das ihn mit dem früheren Ölmanager Welby stark
verbindet. Zwar sind Papst und Primas wohl theologisch nicht so nahe beieinander wie
ihre jeweiligen Vorgänger Benedikt XVI. und Rowan Williams, doch im Einsatz für die
Armen liegen sie ganz auf einer Linie.
„Ich weiß, dass Sie für diese Themen
besonders sensibel sind. Wir teilen da viele Vorstellungen. Ich bin auch auf dem Laufenden
über Ihr Engagement für Versöhnung und Konfliktlösung zwischen den Nationen. Sie haben
zusammen mit (dem katholischen Londoner) Erzbischof Vincent Nichols eine friedliche
Lösung für den syrischen Konflikt gefordert. Dabei soll die Sicherheit der ganzen
Bevölkerung garantiert werden, auch der Minderheiten, darunter die antiken christlichen
Gemeinschaften. Wie Sie einmal gesagt haben, haben wir Christen einen Schatz des Friedens
und der Gnade, den wir der Welt bringen sollen; aber diese Gaben tragen nur dann Frucht,
wenn die Christen in Harmonie zusammenleben und -arbeiten. Es wird dann auch einfacher
sein, respektvolle und friedliche Beziehungen zu anderen Religionen und auch zu den
Nichtglaubenden zu unterhalten.“
Auch Primas Welby erinnerte in einer Ansprache
an den ökumenischen Durchbruch zwischen Anglikanern und Katholiken zur Zeit seines
Vorgängers Erzbischof Michael Ramsey in den sechziger Jahren.
„Ich selbst
werde schon seit vielen Jahren vom großen Corpus der katholischen Soziallehre inspiriert,
habe auch mit katholischen Gruppen darüber gearbeitet; ich habe mich oft zu Exerzitien
bei neuen katholischen Gemeinschaften zurückgezogen und werde vom Prior einer solchen
Gemeinschaft geistlich begleitet. Ich fühle mich also wirklich, so wie es Paul VI.
zu Erzbischof Michael sagte, zuhause hier.“
Er hoffe, so Erzbischof Welby,
„dass die zeitliche Nähe unseres jeweiligen Amtsantritts etwas für die Versöhnung
der Welt und der Kirche zu leisten vermag“.
„Wie Sie gesagt haben, müssen
wir die Früchte unseres Dialogs bekanntmachen und in Gebet und Verkündigung unsere
Einheit ausdrücken. Nur wenn die Welt die Christen sichtbar in der Einheit wachsen
sieht, wird sie von uns die göttliche Botschaft von Frieden und Versöhnung annehmen.
Der Weg ist allerdings schwierig, und wir können die Schwierigkeiten nicht leugnen,
auf die wir stoßen, wenn wir den christlichen Glauben in der modernen Gesellschaft
bezeugen wollen. Unser Ziel ist allerdings groß genug, um die Anstrengung der Reise
zu rechtfertigen.“
Das war ein Zitat aus der zweiten Enzyklika von Papst
Benedikt XVI. über die Hoffnung.
Der Primas, der vor allem in Afrika immer
wieder bei Konflikten geschlichtet hat, ging in seiner Ansprache auch auf die Themen
Armut und Nächstenliebe ein:
„Unser Weg nach vorne muss die hingebende Liebe
Christi widerspiegeln! Wir müssen sein Kreuz tragen und uns selbst sterben, um mit
Christus zu leben. Das wird sich an unserer Hinwendung und Liebe zu den Armen zeigen.
Wir müssen die lieben, die sich uns entgegenstellen, und vor allem all jene lieben,
die bei den derzeitigen Krisen in aller Welt beiseite geschubst werden – sogar ganze
Nationen. Während wir jetzt zusammen sprechen, leiden unsere Brüder und Schwestern
in Christus furchtbar unter Gewalt, Unterdrückung und Krieg, schlechter Regierungsführung
und ungerechten Wirtschaftssystemen. Wenn wir uns nicht im Namen Christi zu ihren
Fürsprechern machen, wer denn sonst?“
Etwas mehr als dreißig Minuten lang
führten Papst und Primas ein Gespräch hinter verschlossenen Türen; dann stellte Welby
Franziskus die aus England Mitgereisten vor. Das waren u.a. seine Ehefrau, die vom
Papst einen Rosenkranz geschenkt bekam, und der katholische Erzbischof Nichols von
Westminster. Die beiden Kirchenführer beteten auch in der Vatikankapelle Redemptoris
Mater einen Moment zusammen und gingen dann zusammen zum Mittagessen.