Papst Franziskus trifft Jesuitenschüler: „Erziehen ist kein Beruf, sondern eine Haltung“
Schulbildung ist mehr
als Wissensvermittlung, sie muss den ganzen Menschen formen. Daran erinnerte Papst
Franziskus an diesem Freitag vor etwa 8.000 Schülerinnen und Schülern von Jesuitenschulen
aus Italien und Albanien.
„Ich habe euch einen Text vorbereitet, aber das
sind fünf Seiten. Etwas langweilig“, begann der Papst seine Ansprache, die er damit
auch gleich an die Seite legte. Stattdessen gab er eine sehr kurze Zusammenfassung
seiner Gedanken, danach stellte er sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler. Wir
dokumentieren eine Zusammenfassung des Grundsatztextes weiter unten, den Dialog zwischen
Papst und Jugend, der den Höhepunkt des Treffens bildete, fassen wir in unserer Abendsendung
am Samstag zusammen. Für die in der Audienzhalle versammelten Schüler, Lehrer und
Jesuiten nannte Papst Franziskus nur zwei Punkte, die ihm am Wichtigsten erschienen:
„Mein
erster Punkt ist, dass in der Erziehung, die wir Jesuiten vertreten, die Großherzigkeit
der Schlüssel für die Entwicklung des Menschen ist. Wir müssen großherzig sein, mit
großen Herzen, ohne Angst. Natürlich braucht man auch große Ideale, aber vor allem
Großherzigkeit in den kleinen Dingen, in den alltäglichen Dingen, mit großem und weitem
Herzen. Es ist wichtig, diese Großherzigkeit mit Jesus zu finden, in der Betrachtung
Jesu, der uns die Fenster zum Horizont öffnet. Großherzigkeit bedeutet, mit Jesus
zu gehen und aufmerksam zu sein für das, was Jesus uns sagt.“
Seine Worte
galten aber nicht nur den Schülerinnen und Schülern, der Papst wandte sich ebenfalls
an die Erzieher: die Eltern, Lehrer, Mitarbeiter und Jesuiten.
„Erziehen
ist wie eine Waage, man wägt gut die Schritte ab. Ein Fuß fest auf sicherem Boden,
aber der andere in riskantes Gebiet gesetzt. Wenn dieser dann Sicherheit findet, geht
der erste Fuß in riskantes Gebiet. Man kann nicht nur auf dem Gebiet der Sicherheit
erziehen. Das heißt zu verhindern, dass die Menschen wachsen. Man kann aber auch nicht
nur im Risiko sein, es braucht das Gleichgewicht der Schritte. Ich möchte euch, liebe
Erzieher, ermutigen, neue Formen der Erziehung zu finden, die nicht konventionell
sind, an die Notwendigkeiten von Ort, Zeit und Menschen angepasst. Das ist das Wichtige
in unserer ignatianischen Spiritualität: Immer weiter gehen und sich mit den konventionellen
Dingen nicht zufrieden geben. Dazu ermutige ich euch.“
Hier
lesen Sie eine Zusammenfassung des Textes, den Papst Franziskus für die Begegnung
mit Jugendlichen vorbereitet hatte:
Dass sie an Jesuitenschulen seien,
müsse Programm sein, so der Papst an die Schülerinnen und Schüler gerichtet. Der Name
Gesellschaft Jesu, den sich die ersten Jesuiten um Ignatius von Loyola gegeben hatten,
sei ein Name engster Freundschaft mit Jesus. Auf dem Weg nach Rom 1537 hätten sie
sich gefragt, was sie denn antworten sollten, wenn sie gefragt würden, wer sie seien
und waren auf diesen Namen gekomm en.
„Warum erzähle ich euch das? Weil
der heilige Ignatius und seine Gefährten verstanden haben, dass Jesus ihnen beibringt,
wie man richtig lebt, wie man ein Leben mit einem tiefen Sinn führen kann, das Enthusiasmus,
Freude und Hoffnung gibt. Sie haben verstanden, dass Jesus ein großer Meister des
Lebens und ein Modell für das eigene Leben ist, der aber nicht nur etwas zeigt, sondern
auch zur Nachfolge auf seinem Weg einlädt.“
Schule sei der Ort des Reifens,
um zu erwachsenen Frauen und Männern zu werden. Dabei ginge es aber nicht nur um Intelligenz,
sondern auch darum, leben zu lernen, es ginge um eine ganzheitliche Bildung.
„Dem
folgend, was Ignatius gelehrt hat, ist das wichtigste Element in einer Schule, zu
lernen, großherzig zu sein. Die Großherzigkeit: Diese Tugend lässt uns immer auf den
Horizont blicken. Was bedeutet diese Großherzigkeit? Sie bedeutet, ein weites Herz
zu haben, eine Weite des Geistes, es bedeutet, große Ideale zu haben und den Wunsch,
große Dinge zu tun, um auf das zu antworten, was Gott von uns will. Und genau deswegen
kann man die Dinge des Alltags, die tagtäglichen Handlungen, besser tun mit einem
offenen Herzen für Gott und den nächsten.“
Menschen mit Rückgrat
Die
Schule sei ein Ort, das Menschsein zu fördern, und gerade Jesuitenschulen seien ein
Ort für die menschlichen Tugenden: Treue, Respekt, Glauben, Einsatz.
„Ich
möchte vor allem zwei grundlegende Werte betonen: Die Freiheit und den Dienst. Vor
allem anderen gilt: Seid freie Menschen! Was bedeutet das? Vielleicht denkt man, dass
Freiheit bedeute, machen zu können, was man wolle, vielleicht sogar sich aufs Spiel
setzen und den Rausch auszuprobieren, um die Langeweile zu überwinden. Das ist nicht
Freiheit. Freiheit bedeutet das zu betrachten, was wir tun und einschätzen können,
was gut ist und was schlecht, welches Verhalten uns wachsen lässt. Freiheit bedeutet,
immer das Gute zu wählen. Wir sind frei für das Gute. Habt keine Angst, damit auch
gegen den Strom zu schwimmen, auch wenn es nicht einfach ist!“
Dieser Einsatz
für das Gute schaffe Menschen mit Rückgrat, die das Leben bewältigen können, Menschen
mit Mut und Geduld. Damit könne man sich dann auch in Dienst nehmen lassen. Der Papst
lobte die vielfältigen sozialen Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler.
„Das
lehrt euch, euch nicht in euch selbst zu verschließen oder in eurer kleinen Welt,
sondern euch für den Nächsten zu öffnen, vor allem den Ärmsten und Notleidenden, um
die Welt, in der wir leben, zu verbessern. Seid Männer und Frauen mit den Nächsten
und für die Nächsten, wirkliche Meister im Dienst für die anderen.“
Geistliche
Formung ist Voraussetzung
Für diesen großherzigen Dienst in innerer
Freiheit brauche es eine geistliche Formung, so der Papst weiter. Er rief die Jugendlichen
dazu auf, im Gespräch mit Jesus zu bleiben, ihn kennen zu lernen und seine Zeichen
in der Welt deuten zu lernen. Anschließend ermutigte Papst Franziskus auch die
Verantwortlichen der Schulen, die Jesuiten, die Lehrer und alle anderen Mitarbeiter,
nicht zuletzt auch die Eltern.
„Lasst euch nicht im Angesicht der Schwierigkeiten,
die die Herausforderung zu Bildung schafft, entmutigen! Erziehen ist kein Beruf, sondern
eine Haltung, eine Lebensweise. Seid vor allem mit eurem Leben Zeugen für das, was
ihr lehrt. Ein Erzieher – Jesuit, Lehrer, Mitarbeiter, Elternteil – vermittelt Wissen
und Werte mit Worten, aber wird für die jungen Menschen erst dann eindrücklich sein,
wenn die Worte von Zeugnissen begleitet werden, von einem kohärenten Leben. Ohne diese
Kohärenz ist es nicht möglich, zu erziehen!“
Neue Formen der Bildung
Die
Mitglieder des Jesuitenordens forderte er auf, ihren Einsatz auf dem Gebiet der Erziehung
lebendig zu halten. Schulen seien ein kostbares Instrument, Menschen den Weg in die
Kirche und die Gesellschaft zu öffnen.
„Das Gebiet der Bildung ist aber
nicht auf die konventionellen Schulen beschränkt. Ermutigt euch, neue, nicht konventionelle
Formen der Erziehung zu finden, ganz nach den Notwendigkeiten von Ort, Zeit und den
Menschen.“