Franziskus: Ohne Erinnerung werden wir Götzendiener
Es ist der Heilige
Geist, der den Christen die Erinnerung an ihre Geschichte und die Gnade Gottes ermöglicht.
Ohne diese Erinnerung, so Papst Franziskus bei seiner Morgenmesse an diesem Montag
im vatikanischen Gästehaus Santa Marta, riskiere der Christ, zu einem Götzendiener
zu werden. Bei der Messfeier waren dieses Mal Angestellte von Radio Vatikan sowie
Vertreter des Päpstlichen Rates für Migrantenseelsorge mit ihrem Präsidenten, Kardinal
Antonio Maria Vegliò, dabei. Wie in der Apostelgeschichte des Tagesevangeliums
berichtet wird, hätten die ersten Christen teilweise noch gar nichts vom Heiligen
Geist gehört. Doch, so Papst Franziskus, dies sei kein Problem der Frühzeit, sondern
vielmehr sei der Heilige Geist auch in heutiger Zeit so etwas wie ein „Stiefkind des
Glaubens“:
„Viele Christen wissen nicht, wer der Heilige Geist ist, wie
der Heilige Geist ist. Und manches Mal hört man: ,Aber ich arrangiere mich gut mit
dem Vater und dem Sohn, denn ich bete das Vaterunser zum Vater, kommuniziere mit dem
Sohn, aber mit dem Heiligen Geist weiß ich nicht, was ich anstellen soll..´ Oder sie
sagen dir: ,Der Heilige Geist ist die Taube, der, der uns sieben Geschenke gibt. Aber
so kommt der arme Heilige Geist immer am Ende und findet keinen guten Platz in unserem
Leben.“
Doch vielmehr sei der Heilige Geist ein Gott, der in uns aktiv
sei, ein Gott, der uns erinnern lässt, so Papst Franziskus weiter. Dies erkläre Jesus
selbst vor Pfingsten seinen Aposteln: „der Heilige Geist, den der Vater euch in meinem
Namen senden wird“, so versichert er, „wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe.” Umgekehrt ergebe sich hingegen für die Christen ein gefährliches Ungleichgewicht:
„Ein Christ ohne Erinnerung ist kein wahrer Christ: er ist ein Mann oder eine
Frau, die Gefangene der Umstände, des Augenblicks sind; er hat keine Geschichte. Er
hat sie, aber er weiß nicht, wie er sie nehmen soll. Und es ist gerade der Heilige
Geist, der uns beibringt, wie wir die Geschichte verstehen müssen… Wenn im Brief an
die Hebräer der Autor sagt: ,Erinnert euch an eure Väter im Glauben´ – Erinnerung.
,Erinnert euch an die früheren Tage´ eures Glaubens, wie mutig ihr wart –
Erinnerung. Erinnerung unseres Lebens, unserer Geschichte, Erinnerung an den Moment,
in dem wir die Gnade erhalten haben, Jesus zu treffen – Erinnerung an alles, was Jesus
uns gesagt hat.“
Diese Erinnerung, die vom Herzen komme, sei eine „Gnade
des Heiligen Geistes”, betonte Papst Franziskus. Sich zu erinnern bedeute auch, sich
an die eigenen Nöte zu erinnern, die zu Sklaven machen; gleichzeitig bedeute es aber
auch, sich an die Gnade Gottes zu erinnern, die aus diesem Elend befreit:
„Wenn
dann die Eitelkeit ins Spiel kommt, und einer meint, er sei so ein bisschen der Nobelpreisträger
der Heiligkeit, tut uns auch die Erinnerung gut: ,Aber… erinnere dich, woher ich dich
genommen habe: vom Ende der Herde. Du warst hinten, in der Herde´. Die Erinnerung
ist ein großes Geschenk, und wenn ein Christ keine Erinnerung hat – das ist hart,
aber wahr – dann ist er kein Christ. Er ist ein Götzendiener. Denn er befindet sich
vor einem Gott der keine Straße hat, der nicht fähig ist, den Weg zu ebnen, doch unser
Gott ebnet den Weg mit uns, er mischt sich unter uns, er geht mit uns. Er rettet uns.
Er macht Geschichte mit uns. Die Erinnerung an all das macht das Leben fruchtbarer,
mit dieser Gnade der Erinnerung.“