Erik Peterson und Joseph Ratzinger: Begegnung zweier Theologen
Joseph Ratzinger und
Erik Peterson – an große Theologie denkt man auf Anhieb wohl zunächst nur bei Erstgenanntem.
Aber auch hinter Erik Petersen verbirgt sich ein großer Theologe aus dem vergangenen
Jahrhundert, von dem sich nicht zuletzt auch Joseph Ratzinger inspirieren ließ. Das
gab der Hochschule Santa Croce in Rom vergangene Woche Anlass zu einer Tagung, auf
der drei aktuelle Theologen aus Deutschland über Gemeinsamkeiten und Unterschiede
von Ratzinger und Peterson reflektierten. Einer der Referenten war der Neutestamentler
Thomas Söding aus Bochum. Mit Blick auf seine Studenten weiß auch er, dass Erik Peterson
oftmals ein Unbekannter ist, aber:
„Wenn man Ratzinger fragte, wer Peterson
ist, würde man sofort eine umfassende Antwort bekommen. Das ist doch das eigentlich
Interessante, dass jemand wie Peterson, der ein absoluter Außenseiter gewesen ist,
der keine große Theologie geschrieben hat, der nur kleine, aber wichtige Anstöße gegeben
hat, eine enorme Resonanz gewinnt – nicht auf den Titelseiten der Zeitungen, aber
da, wo die wirklichen Überlegungen beginnen, wie man Glaube und Vernunft, wie man
Tradition und Moderne miteinander ins Gespräch bringen kann.“
Und so ist
man schnell bei Joseph Ratzinger, für den die Synthese von Glaube und Vernunft immer
ein zentrales Anliegen war. Das betont auch die Religionsphilosophin Hannah-Barbara
Gerl-Falkovitz:
„Das war sein ganz großes Thema seit acht Jahren. Da hat
er wirkliche Stärken. Die Vernunft ist uns allen gemeinsam. Ratzinger hat immer Wert
darauf gelegt, dass der Logos, also das große Wort, mit dem die Welt geschaffen wird,
letztlich auch Vernunft heißt. Diese wunderbare Lesbarkeit, die Ordnung, die innere
Klarheit macht er sehr stark. Von dort, sagt er, könnte man von einem gemeinsamen
Vernunftverständnis vorstoßen zu dem großen Logos, der Christus heißt.“
Bei
der Vernunft setzte Ratzinger auch im Gespräch mit Ungläubigen an. So etwa bei seiner
Dialog-Initiative mit dem Titel „Vorhof der Völker“, mit der er 2010 eine intellektuelle
und ernsthafte Gesprächsplattform mit Atheisten gegründet hat. In Anlehnung an diese
Dialog-Initiative referierte Gerl-Falkovitz in Rom ein wenig zugespitzt unter dem
Titel „Im Vorhof der Heiden“:
„,Im Vorhof der Heiden´ – zwei Wege, wie geht
Erik Peterson auf die ,Heiden´ zu, und wie geht Joseph Ratzinger auf diese ,Heiden´
zu. Genau genommen ist es sehr viel schöner, diesen Vorhof zu nennen, weil das nicht
einfach Ausschluss heißt, sondern schon Annäherung ist. Peterson, der damals diesen
Begriff so noch nicht kennt, versucht das über eine Darstellung dessen, was er den
gnostischen Menschen nennt.“
Die Gnostik war eine Strömung in der Antike,
die Körper und Leib zum Teil sehr stark negativ bewertete.
„Das sind zum
Teil ganz schlimme Analysen. Ich darf das vielleicht auch sagen, gerade weil ich eine
Frau bin. Für die Gnostik war gerade im Frausein die Wurzel alles Übels verankert.“
Erik Peterson sieht diese pessimistische Sicht auf die Leiblichkeit des
Menschen mit dem Christentum überwunden.
„Ich glaube das ist wirklich der
springende Punkt, dass das Christentum gerade in der Fleischwerdung, also im Einswerden
Gottes mit dem Fleisch, im Abstieg Jesu in das Fleisch genau die Gegenposition aufmacht
- nun in einer ganz großen Weise Zustimmung zum Dasein zu haben. Peterson hat als
zunächst evangelischer Christ, und dann auch als Konvertit ganz großen Wert auf die
Fleischwerdung Jesu gelegt. Das heißt, es ist der Leib, es ist das Fleisch, es ist
die Sinnlichkeit, in die Gott selbst eingeht. Das ist für ihn der Zugang und das Angebot
im Vorhof – diesen Pessimismus zu verlassen.“
Sowohl Peterson, als auch
Ratzinger setzen also im „Vorhof der Heiden“, wie Gerl-Falkovitz sagt, beim Logos
an, gehen dann aber verschiedene Wege:
„Der eine geht über die Widerlegung
der Gnosis ins Fleisch, in das Zutrauen zum Dasein in den neuen Menschen. Ratzinger
geht über die Vernunft in eine große transzendierende Vernunft – also in die große,
göttliche Vernunft. Zwei Wege, aber wie immer im Katholischen eine große Spannweite,
in dem das Ganze zusammenkommt.“
So sieht das auch der Liturgiewissenschaftler
Albert Gerhards aus Bonn:
„Aus der Sicht des Liturgie-Theologen hat Peterson
eine wichtige Seite der Liturgie stark gemacht, nämlich dass wir Liturgie nicht machen,
sondern dass sie eigentlich da ist und wir daran teilnehmen. Das schlägt schon die
Brücke zu Joseph Ratzinger, der sich hier sehr stark auf Peterson bezieht.“
Die
starke Betonung des göttlichen Ursprungs führt Ratzinger also im Anschluss an Peterson
weiter, so der Liturgiewissenschaftler.
„Das wiederum entspricht der Theologie
des Zweiten Vatikanums. Das ist nur etwas, das in der Praxis, in der Rezeption zu
kurz gekommen ist. Da ist sicher auch die Kritik, die immer wieder von Joseph Ratzinger
vorgebracht worden ist, richtig. Nur muss das dann noch weiter entwickelt werden,
wie dann die Erfahrungsdimension, die ja ihr Recht hat, auf eine angemessene Weise
zu integrieren ist. Also sprich: Was den Menschen von heute bewegt und wie er das
Seine auch mit in diese Feier einbringen kann.“
In diesem Sinne sind sich
die drei deutschen Theologen einig: Erik Peterson hat uns einen reichen Schatz an
Theologie hinterlassen, der in seiner Bedeutung gerade auch für die Theologie des
emeritierten Papstes noch lange nicht gehoben ist. Thomas Söding ist aber optimistisch:
„Peterson
wird wieder entdeckt, ich glaube dass er seine besten Zeiten noch vor sich hat. Die
großen Ausgaben, die derzeit in Deutschland gemacht werden, die Übersetzungen, die
in Italien und Frankreich angestrengt werden, zeigen, dass hier jemand zu entdecken
ist.“