2013-05-11 11:23:46

Erik Peterson und Joseph Ratzinger: Begegnung zweier Theologen


RealAudioMP3 Joseph Ratzinger und Erik Peterson – an große Theologie denkt man auf Anhieb wohl zunächst nur bei Erstgenanntem. Aber auch hinter Erik Petersen verbirgt sich ein großer Theologe aus dem vergangenen Jahrhundert, von dem sich nicht zuletzt auch Joseph Ratzinger inspirieren ließ. Das gab der Hochschule Santa Croce in Rom vergangene Woche Anlass zu einer Tagung, auf der drei aktuelle Theologen aus Deutschland über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Ratzinger und Peterson reflektierten. Einer der Referenten war der Neutestamentler Thomas Söding aus Bochum. Mit Blick auf seine Studenten weiß auch er, dass Erik Peterson oftmals ein Unbekannter ist, aber:

„Wenn man Ratzinger fragte, wer Peterson ist, würde man sofort eine umfassende Antwort bekommen. Das ist doch das eigentlich Interessante, dass jemand wie Peterson, der ein absoluter Außenseiter gewesen ist, der keine große Theologie geschrieben hat, der nur kleine, aber wichtige Anstöße gegeben hat, eine enorme Resonanz gewinnt – nicht auf den Titelseiten der Zeitungen, aber da, wo die wirklichen Überlegungen beginnen, wie man Glaube und Vernunft, wie man Tradition und Moderne miteinander ins Gespräch bringen kann.“

Und so ist man schnell bei Joseph Ratzinger, für den die Synthese von Glaube und Vernunft immer ein zentrales Anliegen war. Das betont auch die Religionsphilosophin Hannah-Barbara Gerl-Falkovitz:

„Das war sein ganz großes Thema seit acht Jahren. Da hat er wirkliche Stärken. Die Vernunft ist uns allen gemeinsam. Ratzinger hat immer Wert darauf gelegt, dass der Logos, also das große Wort, mit dem die Welt geschaffen wird, letztlich auch Vernunft heißt. Diese wunderbare Lesbarkeit, die Ordnung, die innere Klarheit macht er sehr stark. Von dort, sagt er, könnte man von einem gemeinsamen Vernunftverständnis vorstoßen zu dem großen Logos, der Christus heißt.“

Bei der Vernunft setzte Ratzinger auch im Gespräch mit Ungläubigen an. So etwa bei seiner Dialog-Initiative mit dem Titel „Vorhof der Völker“, mit der er 2010 eine intellektuelle und ernsthafte Gesprächsplattform mit Atheisten gegründet hat. In Anlehnung an diese Dialog-Initiative referierte Gerl-Falkovitz in Rom ein wenig zugespitzt unter dem Titel „Im Vorhof der Heiden“:

„,Im Vorhof der Heiden´ – zwei Wege, wie geht Erik Peterson auf die ,Heiden´ zu, und wie geht Joseph Ratzinger auf diese ,Heiden´ zu. Genau genommen ist es sehr viel schöner, diesen Vorhof zu nennen, weil das nicht einfach Ausschluss heißt, sondern schon Annäherung ist. Peterson, der damals diesen Begriff so noch nicht kennt, versucht das über eine Darstellung dessen, was er den gnostischen Menschen nennt.“

Die Gnostik war eine Strömung in der Antike, die Körper und Leib zum Teil sehr stark negativ bewertete.

„Das sind zum Teil ganz schlimme Analysen. Ich darf das vielleicht auch sagen, gerade weil ich eine Frau bin. Für die Gnostik war gerade im Frausein die Wurzel alles Übels verankert.“

Erik Peterson sieht diese pessimistische Sicht auf die Leiblichkeit des Menschen mit dem Christentum überwunden.

„Ich glaube das ist wirklich der springende Punkt, dass das Christentum gerade in der Fleischwerdung, also im Einswerden Gottes mit dem Fleisch, im Abstieg Jesu in das Fleisch genau die Gegenposition aufmacht - nun in einer ganz großen Weise Zustimmung zum Dasein zu haben. Peterson hat als zunächst evangelischer Christ, und dann auch als Konvertit ganz großen Wert auf die Fleischwerdung Jesu gelegt. Das heißt, es ist der Leib, es ist das Fleisch, es ist die Sinnlichkeit, in die Gott selbst eingeht. Das ist für ihn der Zugang und das Angebot im Vorhof – diesen Pessimismus zu verlassen.“

Sowohl Peterson, als auch Ratzinger setzen also im „Vorhof der Heiden“, wie Gerl-Falkovitz sagt, beim Logos an, gehen dann aber verschiedene Wege:

„Der eine geht über die Widerlegung der Gnosis ins Fleisch, in das Zutrauen zum Dasein in den neuen Menschen. Ratzinger geht über die Vernunft in eine große transzendierende Vernunft – also in die große, göttliche Vernunft. Zwei Wege, aber wie immer im Katholischen eine große Spannweite, in dem das Ganze zusammenkommt.“

So sieht das auch der Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards aus Bonn:

„Aus der Sicht des Liturgie-Theologen hat Peterson eine wichtige Seite der Liturgie stark gemacht, nämlich dass wir Liturgie nicht machen, sondern dass sie eigentlich da ist und wir daran teilnehmen. Das schlägt schon die Brücke zu Joseph Ratzinger, der sich hier sehr stark auf Peterson bezieht.“

Die starke Betonung des göttlichen Ursprungs führt Ratzinger also im Anschluss an Peterson weiter, so der Liturgiewissenschaftler.

„Das wiederum entspricht der Theologie des Zweiten Vatikanums. Das ist nur etwas, das in der Praxis, in der Rezeption zu kurz gekommen ist. Da ist sicher auch die Kritik, die immer wieder von Joseph Ratzinger vorgebracht worden ist, richtig. Nur muss das dann noch weiter entwickelt werden, wie dann die Erfahrungsdimension, die ja ihr Recht hat, auf eine angemessene Weise zu integrieren ist. Also sprich: Was den Menschen von heute bewegt und wie er das Seine auch mit in diese Feier einbringen kann.“

In diesem Sinne sind sich die drei deutschen Theologen einig: Erik Peterson hat uns einen reichen Schatz an Theologie hinterlassen, der in seiner Bedeutung gerade auch für die Theologie des emeritierten Papstes noch lange nicht gehoben ist. Thomas Söding ist aber optimistisch:

„Peterson wird wieder entdeckt, ich glaube dass er seine besten Zeiten noch vor sich hat. Die großen Ausgaben, die derzeit in Deutschland gemacht werden, die Übersetzungen, die in Italien und Frankreich angestrengt werden, zeigen, dass hier jemand zu entdecken ist.“

(rv 09.05.13 sib)








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