„Ich bin sehr beeindruckt,
dass Nhá Chica zu einer Seligen wird, obwohl sie doch so arm war.“ Das sagt eine Schülerin
aus Baependi im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Sie hat mit ihrer Klasse
einen Ausflug gemacht und gerade ein kleines Museum zur Erinnerung an „Nhá Chica“
besucht. Nhá Chica, oder: Tante Franziska – einen Nachnamen hatte diese Frau aus dem
19. Jahrhundert nicht. Durfte sie auch gar nicht, sie war nämlich die Tochter einer
Sklavin; ihr Vater war vermutlich der Direktor des landwirtschaftlichen Unternehmens,
auf dem die Mutter arbeitete. Nhá Chica war Analfabetin, nur eines lernte sie: wie
man den Rosenkranz betet. Sie war noch ein Kind, als ihre Mutter starb, damit wurde
sie zur Vollwaise.
„Sehr unbequem“ war das kleine Haus, in dem Nhá Chica lebte,
findet die Schülerin. „Sehr interessant, ihre Geschichte kennenzulernen“, urteilt
eine Klassenkameradin. „Hier kann man viel darüber lernen, wie sie lebte.“ Die künftige
Selige konnte sich zwar aus dem Sklavenstand befreien, aber viele eingehende Heiratsanträge
lehnte sie ab: Sie wollte allein leben, nur für Jesus und Maria – und die Armen. Jeden
Tag organisierte sie in ihrem Haus Gebetstreffen, bald schon kommen Menschen aus ganz
Brasilien rat- und trostsuchend zu ihr.
„Sie war vor allem demütig“, urteilt
Kardinal Angelo Amato, der im Auftrag des Papstes die Seligsprechung an diesem Wochenende
vorgenommen hat. „Sie hat nichts sich selbst zugutegehalten, sondern alles Gott und
der Madonna. Alle Anfragen von Gläubigen legte sie Maria zu Füßen. Wenn jemand ihr
nach einer erhaltenen Gnade dankte, sagte sie immer: Ich frage nur die Madonna, die
mir zuhört und dann antwortet. Sie gibt uns eine Lektion des echten christlichen Lebens.“
„Die
Kinder waren sehr interessiert am Leben von Nhá Chica“, lobt ihre Lehrerin. „Viele
haben auch zuhause von ihr gehört, da wollten sie jetzt mehr wissen. Diese Kinder
kommen in der Regel aus sehr einfachen Elternhäusern, da waren sie beeindruckt, dass
es eine Selige gibt, die so einfach und so freundlich zu allen war.“
Ein Foto
zeigt Nhá Chica im Alter, in eine Art Kutte gehüllt, mit verhärmten Zügen. Mit einem
Schlag war sie reich geworden, durch eine unerwartete Erbschaft – aber sie gab alles
den Bedürftigen weiter und war bald wieder so arm wie zuvor. Mit dem wenigen Geld,
das sie zurückbehalten hatte, ließ sie ein Kapellchen zu Ehren Mariens bauen. Dort
wurde sie nach ihrem Tod 1895, mit über achtzig Jahren, dann auch beigesetzt.
„Man
kann sagen, dass diese Seligsprechung ein großes Geschenk von Papst Franziskus an
die brasilianische Kirche ist“, so Kardinal Amato. „Der Heilige Vater kennt ja als
erster lateinamerikanischer Papst den religiösen Geist des brasilianischen Volkes.
Dieser Reichtum an menschlichen und geistlichen Werten, der Brasilien auszeichnet,
war auch typisch für Nhá Chica. Vor allem stand sie für die Barmherzigkeit Christi
gegenüber allen Bedürftigen. Das Salve Regina war ihr Lieblingsgebet, und alle Zeugen
geben an, dass sie sie fast immer mit einem Rosenkranz in Händen gesehen haben.“
„Das
ist die erste brasilianische Selige mit afrikanischer Herkunft“, erklärt Ortsbischof
Moreira, „so etwas ist nicht nur für uns in Brasilien wichtig, sondern für die ganze
Welt. Wenn eine Person ins Buch der Seligen eingeschrieben wird, dann verbreitet sich
durch sie die Gnade Gottes an die Menschen weiter.“
Frage an eine Schülerin
auf Klassenfahrt im Häuschen von Nhá Chica: „Was hat dich am meisten beeindruckt?“
– „Ihr Glaube.“ – „Ist sie ein Vorbild?“ – „Ja, sehr!“ – „Wirst Du dem Vorbild ihres
Glaubens folgen?“ – „Ja, werde ich.“