Chaos in der Zentralafrikanischen Republik – Gespräch mit dem Erzbischof von Bangui
Im März zwangen sie
den zentralafrikanischen Präsidenten zur Flucht und übernahmen die Macht in Bangui
– doch seitdem ist es den „Séléka“-Rebellen nicht gelungen, auch nur den Anschein
von Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Zentralafrikanische Republik – isoliert,
aber mineralienreich – versinkt im Chaos. Die Rebellen bitten afrikanische Nachbarländer
und Frankreich um Hilfe, doch der Pariser Außenminister Laurent Fabius lässt wissen,
man werde nur zu einer „Rückkehr zur Stabilität“ beitragen, wenn in Bangui „eine legitime
Führung“ eingesetzt werde. Bei Zusammenstößen in einem Stadtviertel, in dem viele
Anhänger des gestürzten Präsidenten François Bozizé leben, sind am letzten Wochenende
mindestens zwanzig Menschen ums Leben gekommen; drei von ihnen hatten sich, vergeblich
in eine Kirche geflüchtet. Erzbischof Dieudonné Nzapalainga von Bangui berichtet im
Interview mit Radio Vatikan von Plünderungen:
„Im Stadtviertel Boy Rabe
habe ich einen großen LKW gesehen, der sich mit Kühlschränken und Kühltruhen aus dem
Staub machte – das heißt, die Plünderungen gehen immer weiter, bei helllichtem Tag,
unter den Augen der untätigen Behörden. Das Stadtviertel war fast menschenleer, weil
Gerüchte umgingen, es solle niedergebrannt werden. Ich habe Kindern geholfen, die
Straße zu überqueren, denn sie hatten alle Angst davor, die Eltern auch. Das ist eine
Psychose! Wie kann man den Kindern das zumuten? Überall Waffen, Feuerstöße, Autos,
die mit Karacho durch die Straßen rasen – ein Klima des Misstrauens. Die neuen Verantwortlichen
sollten sich eine Reihe Fragen stellen! Unser Eindruck ist, dass die Séléka-Rebellen
jetzt, wo sie die ganze Macht haben, erst einmal tun, was sie wollen. Da müsste jemand
kommen, sie wieder in die Kasernen schicken und entwaffnen, damit die Zivilbevölkerung
wieder ihrem normalen Alltag nachgehen kann.“
Etwa 1.400 Menschen haben
sich, so der Erzbischof, aus Angst vor den Rebellen allein in ein Krankenhaus der
Stadt geflüchtet. Er habe gesehen, wie da kleine Kinder auf dem Boden säßen und nichts
zu essen hätten. Eine Mutter habe ihm gesagt, sie habe für den ganzen Tag nur eine
einzige Mangofrucht. Die Caritas tue, was sie könne, um den Bedürftigen zu helfen,
ganz gleich welcher Religion diese angehörten.
„Was ich mit eigenen Augen
sehe ist, wie Séléka-Autos bei helllichtem Tag vor Geschäften stehenbleiben, und die
Insassen steigen aus und plündern. Sollten das keine echten Séléka-Rebellen sein,
nun ja, dann sollten die Verantwortlichen kommen, wenn man sie ruft, und diese Leute
entwaffnen! In Wirklichkeit plündern sie aber zwei oder drei Stunden lang völlig ungestört.
Man ruft bei den Behörden an: Keiner reagiert!“
An einem der letzten Sonntage
haben Bewaffnete alle Kirchgänger, die nach der Messe aus der Kathedrale von Bangui
strömten, um ihr Geld erleichtert, einen nach dem anderen. „Es könnte sein, dass es
Personen gibt, die in diesem Chaos eine Spannung zwischen den religiösen Gruppen schüren
wollen“, sagt Erzbischof Nzapalainga. Diesem Kalkül gelte es entgegenzuarbeiten.
„Diese
Krise ist militärisch und politisch, aber nicht religiös! Die Zentralafrikanische
Republik ist ein säkularer Staat, es gibt hier Religionsfreiheit, jeder kann seinen
Glauben bekennen. Wenn jetzt jemand aus politischen Gründen heraus im religiösen Bereich
zündeln will, dann sagen wir dazu Nein! Und zwar laut und deutlich. Wer uns da eine
Falle bauen oder eine Bananenschale vor die Füße legen will, den müssen wir an den
Rand drängen und isolieren!“