Papst Franziskus hat
am Sonntagabend mit einem Gottesdienst die Basilika St. Paul vor den Mauern in Besitz
genommen, eine der vier päpstlichen Basiliken von Rom. Seine Predigt stand im Zeichen
des dritten Sonntags der Osterzeit. Wir dokumentieren hier die Predigt im Wortlaut.
(rv) Liebe Brüder und Schwestern,
es ist mir eine Freude, in dieser Basilika
mit euch die Eucharistie zu feiern. Ich grüße den Erzpriester, Kardinal James Harvey,
und danke ihm für die Worte, die er an mich gerichtet hat; mit ihm begrüße ich dankbar
die verschiedenen Institutionen, die zu dieser Basilika gehören, und euch alle. Wir
befinden uns am Grab des heiligen Paulus, eines demütigen und großen Apostels des
Herrn, der ihn mit dem Wort verkündet, mit dem Martyrium bezeugt und aus ganzem Herzen
angebetet hat. Das sind genau die drei Verben, über die ich im Licht des Wortes Gottes,
das wir gehört haben, nachdenken möchte: verkünden, bezeugen, anbeten.
In der
ersten Lesung (vgl. Apg 5, 27b-32.40b-41) beeindruckt die Kraft von Petrus
und den anderen Aposteln. Auf den Befehl zu schweigen, nicht mehr im Namen Jesu zu
lehren, seine Botschaft nicht mehr zu verkünden, antworten sie in aller Deutlichkeit:
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (V. 29). Und nicht einmal Geißelung,
Schmähungen und Kerkerhaft halten sie auf. Petrus und die Apostel verkünden mutig
und mit Freimut, was sie empfangen haben: das Evangelium Jesu. Und wir? Sind wir fähig,
das Wort Gottes in unsere Lebensbereiche hineinzutragen? Verstehen wir es, in der
Familie, mit den Menschen, die zu unserem Alltagsleben gehören, von Christus zu sprechen,
davon, was er für uns bedeutet? Der Glaube kommt vom Hören und festigt sich in der
Verkündigung.
Doch gehen wir einen Schritt weiter: Die Verkündigung des Petrus
und der Apostel besteht nicht nur aus Worten, sondern die Treue zu Christus geht ihr
Leben selbst an; es wird verändert, erhält eine neue Richtung, und gerade mit ihrem
Leben geben sie für den Glauben und die Verkündigung Christi Zeugnis. Im Evangelium
beauftragt Jesus den Petrus dreimal, seine Herde zu weiden, sie mit seiner Liebe zu
weiden, und er weissagt ihm: „Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände
ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst“
(Joh 21,18). Das ist ein Wort, das vor allem an uns Hirten gerichtet ist: Man
kann die Herde Gottes nicht weiden, wenn man nicht akzeptiert, vom Willen Gottes auch
dahin geführt zu werden, wo man nicht will, wenn man nicht bereit ist, Christus mit
der Hingabe des eigenen Selbst ohne Einschränkungen und ohne Berechnungen zu bezeugen,
manchmal auch um den Preis des eigenen Lebens. Doch dies gilt für alle: Das Evangelium
muss verkündet und es muss bezeugt werden. Jeder müsste sich fragen: Wie bezeuge ich
Christus mit meinem Glauben? Habe ich den Mut Petri und der anderen Apostel, als Christ
zu denken, zu entscheiden und zu leben, indem ich Gott gehorche? Gewiss, das Zeugnis
für den Glauben kennt viele Formen, wie es in einem großen Gemälde die Vielfalt der
Farben und der Schattierungen gibt; aber alle sind wichtig, auch diejenigen, die nicht
augenfällig sind. Im großen Plan Gottes ist jedes Detail wichtig, auch dein, auch
mein kleines demütiges Zeugnis, auch das verborgene dessen, der in Einfachheit seinen
Glauben im Alltag der Beziehungen in Familie, Arbeit und Freundschaft lebt. Es gibt
die Heiligen des Alltags, die „verborgenen“ Heiligen, eine Art „Mittelklasse der Heiligkeit“,
zu der wir alle gehören können. Doch in verschiedenen Teilen der Welt gibt es auch
die, welche wie Petrus und die Apostel für das Evangeliums leiden; die ihr Leben hingeben,
um Christus treu zu bleiben, und dieses Zeugnis mit ihrem Blut bezahlen. Erinnern
wir uns alle gut daran: Man kann das Evangelium Jesu nicht ohne das konkrete Lebenszeugnis
verkünden. Wer uns hört und uns sieht, muss in unserem Tun das lesen können, was er
aus unserem Mund hört, und Gott die Ehre geben! Die Inkohärenz der Gläubigen und der
Hirten zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie tun, zwischen dem Wort und der
Lebensweise untergräbt die Glaubwürdigkeit der Kirche.
Doch all das ist nur
möglich, wenn wir Jesus Christus erkennen, denn er ist es, der uns gerufen hat, der
uns eingeladen hat, seinen Weg zu gehen, der uns erwählt hat. Zu verkünden und zu
bezeugen ist nur möglich, wenn wir ihm nahe sind, genauso wie Petrus, Johannes und
die anderen Jünger im heutigen Evangelium (vgl. Joh 21,1-19) sich um den auferstandenen
Jesus scharen; es gibt eine alltägliche Nähe zu ihm, und sie wissen genau, wer er
ist, sie kennen ihn. Der Evangelist betont, dass »keiner von den Jüngern wagte ihn
zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war« (Joh 21,12).
Das ist ein wichtiger Punkt für uns: eine intensive Beziehung zu Jesus zu leben, eine
Vertrautheit im Gespräch und im Leben, so dass man ihn als „den Herrn“ erkennt und
ihn anbetet. Der Abschnitt aus der Offenbarung des Johannes, den wir gehört haben,
spricht uns von der Anbetung: Die zehntausendmal zehntausend und tausendmal tausend
Engel, alle Geschöpfe, die Lebewesen und die Ältesten fallen anbetend nieder vor dem
Thron Gottes und vor dem geopferten Lamm Christus, dem Lob, Ehre und Herrlichkeit
gebührt (vgl. Offb 5,11-14). Ich möchte, dass wir alle uns eine Frage stellen:
Du, ich, beten wir den Herrn an? Gehen wir zu Gott nur um zu bitten, zu danken, oder
gehen wir auch zu ihm, um ihn anzubeten? Was bedeutet denn, Gott anzubeten? Es bedeutet
zu lernen, wie wir bei ihm verweilen und innehalten können, um mit ihm zu sprechen
und dabei zu spüren, dass seine Gegenwart die wahrste, beste und wichtigste aller
ist. Jeder von uns hat in seinem Leben bewusst und vielleicht manchmal unbewusst eine
ganz genaue Reihenfolge der Dinge, die er für mehr oder weniger wichtig hält. Den
Herrn anzubeten bedeutet, ihm den Platz zu geben, der ihm gebührt. Den Herrn anzubeten
bedeutet, zu sagen und zu glauben – aber nicht nur mit Worten –, dass er allein wirklich
unser Leben lenkt. Den Herrn anzubeten bedeutet, dass wir vor ihm die Überzeugung
gewinnen, dass er der einzige Gott, der Gott unseres Lebens, unserer Geschichte ist.
Das
hat eine Konsequenz in unserem Leben: uns der vielen kleinen und großen Götzen zu
entäußern, die wir haben und zu denen wir Zuflucht nehmen, in denen wir unsere Sicherheit
suchen und diese häufig auf sie setzen. Es sind Götzen, die wir oft gut versteckt
halten; es kann Ehrgeiz sein, Freude am Erfolg, sich selbst ins Zentrum zu setzen,
die Neigung, sich gegen andere durchzusetzen, die Anmaßung, die einzigen Herren unseres
Lebens zu sein, irgendeine Sünde, an der wir hängen, und vieles andere. Heute Abend
möchte ich, dass eine Frage im Herzen eines jeden aufsteige und dass wir sie ehrlich
beantworten: Habe ich darüber nachgedacht, welchen verborgenen Götzen ich in meinem
Leben habe, der mich daran hindert, den Herrn anzubeten? Anbeten bedeutet, uns unserer
Götzen zu entäußern, auch der verborgensten, und den Herrn als Mitte, als den Leitweg
unseres Lebens zu wählen.
Liebe Brüder und Schwestern, der Herr ruft uns jeden
Tag, ihm mutig und treu zu folgen. Er hat uns das große Geschenk gemacht, uns als
seine Jünger zu erwählen; er sendet uns, ihn freudig als den Auferstandenen zu verkünden,
doch er verlangt von uns, das durch das Wort und durch das Zeugnis unseres Lebens
zu tun, im Alltag. Der Herr ist der Eine, der einzige Gott unseres Lebens, und er
lädt uns ein, uns unserer vielen Götzen zu entäußern und ihn allein anzubeten. Die
selige Jungfrau Maria und der Apostel Paulus mögen uns auf diesem Weg helfen und für
uns Fürbitte einlegen.