Für keinen ist es
je zu spät, umzukehren und in die Barmherzigkeit und Geduld Gottes zu vertrauen. Das
sagte Papst Franziskus während seiner Predigt an diesem Sonntagabend, nachdem er in
einer feierlichen Zeremonie vom römischen Bischofsstuhl in der Basilika San Giovanni
in Laterano Besitz ergriffen hatte. Vor der Messfeier wurde ein neues Straßenschild
auf dem Vorplatz des Vikariats feierlich enthüllt und so schloss sich ein Kreis: Nachdem
Benedikt XVI. vor acht Jahren bei seiner eigenen Inbesitznahme der Lateranbasilika
die Eröffnung des – vor knapp zwei Jahren abgeschlossenen - Seligsprechungsverfahren
für seinen Vorgänger bekannt gegeben hatte, wurde nun der Platz, in dessen Mitte der
Obelisk aufragt, zu Ehren Johannes Paul II. umbenannt in Piazza Giovanni Paolo II.
Anschließend
begab sich der Papst in die Kirche, wo er von zahlreichen Gläubigen erwartet wurde.
Das im Lauf der Jahrhunderte stark vereinfachte Ritual der Inbesitznahme seines Bischofsstuhls
sah vor, dass der Kardinalvikar, also der Stellvertreter des Papstes für die Führung
der laufenden Geschäfte der römischen Diözese, ihm die „Kathedra“ überreichte. Diese
Aufgabe fiel Kardinalvikar Agostino Vallini zu:
„Heiliger Vater, die Kirche,
die in Rom ist, erfreut sich heute im Herrn beim Empfang ihres Bischofs, des Nachfolgers
des Apostels Petrus, der von seiner Kathedra Besitz nimmt. […] Verehrter Vater, mit
kindlicher Hingabe erklären wir uns gehorsam und untertänig in Hinblick auf Ihre Lehr
und Führung.“
Nach diesen ritualisierten Worten seines Generalvikars nahm
der Papst auf dem prächtigen Bischofsstuhl in der Apsis der Basilika Platz und eine
Abordnung von Gläubigen aus der römischen Gemeinde kam zu ihm, um ihm ihrerseits den
Gehorsam auszusprechen. Mehr als das schien es allerdings vor allem eine Begegnung
der Gemeindemitglieder mit ihrem Oberhirten zu sein; nach dem Gehorsamsgelöbnis der
Kardinäle, das sie dem neu gewählten Papst noch im Konklave im Namen der Weltkirche
gegeben hatten, war nun also seine römische Gemeinde an der Reihe: schließlich ist
der Papst in erster Linie auch Bischof von Rom - was Franziskus bereits bei seiner
ersten öffentlichen Ansprache auf der Loggia des Petersdoms deutlich gemacht hatte.
‚Barmherzigkeit’
im Zentrum der Predigt
Während der Messfeier erinnerte Papst Franziskus
in seiner Predigt daran, dass die feierliche Zeremonie gerade am Sonntag der Barmherzigkeit,
wie ihn Johannes Paul II. eingeführt hatte, abgehalten wurde. Die Barmherzigkeit Gottes
stand deshalb auch im Zentrum seiner Predigt:
„Wir feiern heute den zweiten
Sonntag der Osterzeit, der auch ‚Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit’ genannt wird.
Wie schön ist diese Wirklichkeit des Glaubens für unser Leben: die Barmherzigkeit
Gottes! Eine so große, so tiefe Liebe hat Gott zu uns, eine Liebe, die niemals nachlässt,
immer unsere Hand ergreift und uns stützt, uns wieder aufrichtet, uns lenkt.“
Der
Apostel Thomas, aber auch der Apostelfürst Petrus selbst hätten die Erfahrung der
unendlichen Barmherzigkeit und Geduld Jesu gemacht. Trotz ihrer Zweifel hatte Jesus
Geduld mit ihnen, und sie selbst hätten letztlich ihre Kleingläubigkeit eingesehen:
„Im
heutigen Evangelium macht der Apostel Thomas eigens die Erfahrung der Barmherzigkeit
Gottes, die ein konkretes Gesicht hat, das Gesicht Jesu, des auferstandenen Jesus.
Thomas traut nicht dem, was die anderen Apostel ihm sagen: ,Wir haben den Herrn gesehen´;
es genügt ihm nicht die Verheißung Jesu, der angekündigt hatte: Am dritten Tag werde
ich auferstehen. Er will sehen, will seine Finger in die Male der Nägel und seine
Hand in Jesu Seite legen. Und was ist die Reaktion Jesu? Geduld: Jesus lässt den eigensinnigen
Thomas in seiner Ungläubigkeit nicht fallen; er gibt ihm eine Woche Zeit, verschließt
nicht die Tür, sondern wartet. Und Thomas erkennt seine Armseligkeit, seine Kleingläubigkeit.“
Insbesondere
das Gleichnis vom barmherzigen Vater habe ihn beeindruckt, so Franziskus in seiner
Predigt weiter – es schenke ihm selbst Hoffnung, könne aber jedem Hoffnung schenken,
der sich auf den Dialog mit Gott, den Dialog zwischen unserer Schwäche und der Geduld
Gottes, einlasse. Doch die Geduld Gottes sei kein Selbstläufer, sondern müsse in jedem
von uns den Mut wecken, zu ihm zurückzukehren, ganz gleich welchen Fehler, welche
Sünde es in seinem Leben gebe.
„Vielleicht kann jemand denken: Meine Sünde
ist so groß, meine Entfernung von Gott ist wie die des jüngeren Sohnes aus dem Gleichnis,
mein Unglaube ist wie der des Thomas; ich habe nicht den Mut umzukehren, zu meinen,
Gott könne mich aufnehmen und warte ausgerechnet auf mich. Doch Gott wartet gerade
auf dich, er verlangt von dir nur den Mut, zu ihm zu gehen. Wie oft habe ich in meinem
seelsorglichen Dienst die Worte gehört: ,Pater, ich habe viele Sünden´; und meine
Einladung war immer: ,Keine Angst, geh zu ihm, er erwartet dich, er wird alles tun.´
Wie viele weltliche Angebote hören wir in unserer Umgebung, aber lassen wir uns vom
Angebot Gottes ergreifen – es ist eine herzliche Liebkosung. Für Gott sind wir keine
Nummern, wir sind ihm wichtig, ja, wir sind das Wichtigste, das er hat; auch wenn
wir Sünder sind, sind wir das, was ihm am meisten am Herzen liegt.“
Daher
die Aufforderung des Papstes, in das Haus Gottes zurückzukehren, seine Umarmung zu
spüren und so auch selber fähiger zu Barmherzigkeit, Geduld, Vergebung und Liebe zu
werden.
Franziskus hält spontane Ansprache von der Benediktionsloggia Im
Anschluss an die Messfeier zeigte sich Papst Franziskus am Sonntagabend auf der Benediktionsloggia
über dem Haupteingang der Basilika und hielt eine spontane Ansprache für die Gläubigen,
die auf dem großen Vorplatz versammelt waren:
„Brüder und Schwestern, guten
Abend!
Ich danke euch dafür, dass ihr bei der Messe heute dabei wart.
Herzlichen Dank! Ich bitte euch, für mich zu beten, das brauche ich. Vergesst das
nicht. Danke euch allen! Und wir gehen alle gemeinsam voran, das Volk und
der Bischof, alle zusammen stets mit der Freude über die Auferstehung Jesu; er ist
immer an unserer Seite. Der Herr segne euch! [Es folgt der Segen] Vielen
Dank! Auf bald!"