2013-04-04 15:08:25

Vatikan/UN: Waffenhandelsabkommen Schritt in richtige Richtung


RealAudioMP3 Die internationale Staatengemeinschaft setzt große Hoffnungen auf den erst vor wenigen Tagen in New York verabschiedeten Kontrollvertrag zum Waffenhandel. Die UN-Vollversammlung hatte sich nach langjährigen Verhandlungen mit großer Mehrheit von 154 Staaten für die Annahme des Vertrags ausgesprochen. Als einzige Staaten votierten Iran, Nordkorea und Syrien mit nein. Russland, China und 21 weitere Staaten enthielten sich der Stimme. Das Abkommen soll durch verbindliche Regeln für alle Vertragsstaaten „menschliches Leiden“ in Konflikten verringern und den Schwarzmarkt bekämpfen. Doch auch wenn der Vertrag unbestreitbar einen ersten Schritt in die richtige Richtung darstelle, sei es wohl etwas zu optimistisch, ihn als „historisch“ zu bewerten, mahnt Erzbischof Silvano Maria Tomasi, der vom Heiligen Stuhl entsandte permanente Beobachter bei den Vereinten Nationen in Genf:

„Nach sieben Jahren Verhandlungen hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Vertrag verabschiedet, der zum ersten Mal versucht, den Handel konventioneller Waffen zu regulieren. In diesem Sinn ist es wirklich ein sehr positiver Schritt, denn das Ziel ist es, das menschliche Leben zu schützen und den Respekt der Menschenrechte zu fördern. Wenn wir den Vertrag wirklich als ersten Schritt sehen, schön und gut, doch das Wort „historisch“ wird vielleicht manchmal etwas leichtfertig verwendet, denn das Abkommen hat auch starke Grenzen. Neben der Tatsache, dass keine Strafmaßnahmen bei Zuwiderhandlungen vorgesehen sind, bestehen Möglichkeiten, auf Umwegen, wie beispielsweise mit bilateralen Abkommen, den Vertrag auszuhebeln.“

In diesem Vertrag, so Tomasi, gebe es auf jeden Fall sehr positiv zu bewertende Bedingungen, an die der Verkauf konventioneller Waffen - beispielsweise von Panzern, großer Artillerie, Hubschraubern, Schiffen oder leichten Waffen für militärische Nutzung geknüpft werde. Dazu gehöre, dass diese Waffen nicht an Personen, Gruppen oder Staaten verkauft werden dürfen, bei denen das reale Risiko von Menschenrechtsverletzungen, Völkermord oder Kriegsverbrechen bestehe. Dies sei mit Blick auf einen Markt, der jährlich etwa 70 Milliarden Dollar umsetze, bereits ein großer Erfolg, so Tomasi.

„Der neue Vertrag ist aber auch Gelegenheit für eine verstärkte ökumenische Zusammenarbeit gewesen. Denn neben dem Heiligen Stuhl, der sich vor allem in New York eingesetzt hat, um eine ethische Dimension in die internationalen Diskussionen einzubringen, waren auch verschiedene andere christliche Gruppierungen auf der gleichen Wellenlänge. Es ist deutlich geworden, dass man bei der gemeinsamen Arbeit an Themen, die die gesamte Weltbevölkerung angehen, effizienter wirken und zu einem konkreten Ergebnis kommen kann.“

Die große Mehrheit der Staaten hat nun für diesen Vertrag gestimmt. Erzbischof Tomasi hofft, dass diese große Mehrheit auch dafür sorgen werde, dass baldmöglichst eine Ratifizierung durch mindestens 50 Mitgliedsstaaten vorgenommen wird. Dies ist eine Bedingung dafür, dass der Vertrag tatsächlich in Kraft treten kann. Was die drei Staaten betreffe, die gegen den Vertrag gestimmt hatten, so sei ihre Situation sehr unterschiedlich zu bewerten, doch gemeinsam sei ihnen bei ihrer Ablehnung die Sorge gewesen, dass in dem Vertrag nicht ausdrücklich der Waffenverkauf an nicht-staatliche Gruppierungen verboten werde.

„Wir müssen jedoch den großen Zusammenhang sehen, in dem der Vertrag zu bewerten ist, und zwar den gemeinsamen Fortschritt auf dem Weg der Abrüstung und Suche nach Frieden. In diesem Zusammenhang müssen wir alle Schritte unterstützen, wenn sie auch noch so klein sind, die sich in die richtige Richtung bewegen und den Dialog und die Friedensstiftung in der Internationalen Gemeinschaft fördern. Dieser neue Vertrag geht in diese Richtung.“

Vittorio Alberti vom päpstlichen Friedensrat sieht mit dem Vertragsschluss insbesondere auch die Bemühungen des Heiligen Stuhls belohnt. Neben seiner Tätigkeit im Friedensrat arbeitet Alberti als Professor für Philosophie an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom:

„Das Ergebnis (der Vollversammlung) ist aus historischer Sicht bemerkenswert, weil es prinzipiell den Zielen der Kirche entspricht, die sich dann in historische und politische Handlungen übersetzen. Es ist bemerkenswert, weil es ein Prinzip der Gesetzlichkeit dort einführt, wo dieses tendenziell nicht existiert. In diesem Sinne ist das Ergebnis, so meine ich, der Einwirkung des Heiligen Stuhles zu verdanken.“

Der Heilige Stuhl hat in der Vergangenheit mehrfach auf den Konsens der Staaten bei einem Waffenkontrollvertrag gedrängt und den Respekt der Menschenrechte ins Zentrum eines solchen Vertrages gesetzt. Einiges davon sei beim jetzigen Vertrag umgesetzt worden, doch die Arbeit sei noch lange nicht vorbei:

„Es ist schwer, von Menschenrechten zu sprechen, wenn es um Waffen geht. Man muss sich also innerhalb von Kompromissen bewegen. Ideal wäre freilich der politische Aufbau von Frieden. Was den Schutz der Menschenwürde betrifft, sind auch in diesem Vertrag historische und objektive Schwierigkeiten spürbar. Aber ein juristisches Element hier einzuführen, wie es der Vertrag tut, ist ganz sicher ein positives Element. Wenn es dann um die Abstimmungen geht, geht es um Details - aber insgesamt sind wir sehr zufrieden über das Ergebnis. Die Geschichte hat ihren Lauf, doch auch die Diplomatie des Heiligen Stuhles wird weiter in diese Richtung drängen.“

Hintergrund

Der Vertrag verbietet die Ausfuhr von Waffen in andere Staaten, wenn die Rüstungsgüter bei Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen eingesetzt werden könnten. Ebenso sollen Staaten die Ausfuhr von Waffen dann verbieten, wenn folgende Risiken vorliegen: Die Waffen könnten bei ernsthaften Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder bei ernsthaften Verletzungen der Menschenrechte eingesetzt werden. Auch dürfen Rüstungsgüter nicht an Terroristen oder Kriminelle geliefert werden. Der „Arms Trade Treaty“ umfasst folgende Kategorien: Kampfpanzer, Artillerie, Kampfjets und -helikopter, Kriegsschiffe und Raketen sowie Kleinwaffen, etwa Sturmgewehre. Auch Munition und Ersatzteile für Waffensysteme werden in die Ausfuhrkontrollen einbezogen.

Die Staaten errichten, sofern nicht schon vorhanden, nationale Kontrollsysteme. Sie fertigen Export- und Importlisten an, die sie einem Sekretariat der Waffenhandelskonvention übermitteln. Jedoch sieht das Abkommen keine Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Regeln vor. Der neue Vertrag soll 90 Tage nach der 50. Ratifikation durch einen Staat in Kraft treten.

Die Bestimmungen schränken Ausfuhren aus Deutschland nicht ein. Die bestehenden EU-Exportbestimmungen und die nationalen deutschen Regeln gehen weiter als das neue internationale Abkommen. Im vergangenen Jahr scheiterte eine Konferenz zum Abschluss eines Vertrages an den USA, Russland und China. Die UN-Vollversammlung hatte 2006 beschlossen, Gespräche über einen Waffenhandelsvertrag zu starten. Amnesty International schätzt den Wert des jährlichen internationalen Handels mit Rüstungsgütern auf 70 Milliarden US-Dollar.

(rv/epd/pm 04.04.2013 cs)








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