Vatikan/UN: Waffenhandelsabkommen Schritt in richtige Richtung
Die internationale
Staatengemeinschaft setzt große Hoffnungen auf den erst vor wenigen Tagen in New York
verabschiedeten Kontrollvertrag zum Waffenhandel. Die UN-Vollversammlung hatte sich
nach langjährigen Verhandlungen mit großer Mehrheit von 154 Staaten für die Annahme
des Vertrags ausgesprochen. Als einzige Staaten votierten Iran, Nordkorea und Syrien
mit nein. Russland, China und 21 weitere Staaten enthielten sich der Stimme. Das Abkommen
soll durch verbindliche Regeln für alle Vertragsstaaten „menschliches Leiden“ in Konflikten
verringern und den Schwarzmarkt bekämpfen. Doch auch wenn der Vertrag unbestreitbar
einen ersten Schritt in die richtige Richtung darstelle, sei es wohl etwas zu optimistisch,
ihn als „historisch“ zu bewerten, mahnt Erzbischof Silvano Maria Tomasi, der vom Heiligen
Stuhl entsandte permanente Beobachter bei den Vereinten Nationen in Genf:
„Nach
sieben Jahren Verhandlungen hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen einen
Vertrag verabschiedet, der zum ersten Mal versucht, den Handel konventioneller Waffen
zu regulieren. In diesem Sinn ist es wirklich ein sehr positiver Schritt, denn das
Ziel ist es, das menschliche Leben zu schützen und den Respekt der Menschenrechte
zu fördern. Wenn wir den Vertrag wirklich als ersten Schritt sehen, schön und gut,
doch das Wort „historisch“ wird vielleicht manchmal etwas leichtfertig verwendet,
denn das Abkommen hat auch starke Grenzen. Neben der Tatsache, dass keine Strafmaßnahmen
bei Zuwiderhandlungen vorgesehen sind, bestehen Möglichkeiten, auf Umwegen, wie beispielsweise
mit bilateralen Abkommen, den Vertrag auszuhebeln.“
In diesem Vertrag,
so Tomasi, gebe es auf jeden Fall sehr positiv zu bewertende Bedingungen, an die der
Verkauf konventioneller Waffen - beispielsweise von Panzern, großer Artillerie, Hubschraubern,
Schiffen oder leichten Waffen für militärische Nutzung geknüpft werde. Dazu gehöre,
dass diese Waffen nicht an Personen, Gruppen oder Staaten verkauft werden dürfen,
bei denen das reale Risiko von Menschenrechtsverletzungen, Völkermord oder Kriegsverbrechen
bestehe. Dies sei mit Blick auf einen Markt, der jährlich etwa 70 Milliarden Dollar
umsetze, bereits ein großer Erfolg, so Tomasi.
„Der neue Vertrag ist aber
auch Gelegenheit für eine verstärkte ökumenische Zusammenarbeit gewesen. Denn neben
dem Heiligen Stuhl, der sich vor allem in New York eingesetzt hat, um eine ethische
Dimension in die internationalen Diskussionen einzubringen, waren auch verschiedene
andere christliche Gruppierungen auf der gleichen Wellenlänge. Es ist deutlich geworden,
dass man bei der gemeinsamen Arbeit an Themen, die die gesamte Weltbevölkerung angehen,
effizienter wirken und zu einem konkreten Ergebnis kommen kann.“
Die große
Mehrheit der Staaten hat nun für diesen Vertrag gestimmt. Erzbischof Tomasi hofft,
dass diese große Mehrheit auch dafür sorgen werde, dass baldmöglichst eine Ratifizierung
durch mindestens 50 Mitgliedsstaaten vorgenommen wird. Dies ist eine Bedingung dafür,
dass der Vertrag tatsächlich in Kraft treten kann. Was die drei Staaten betreffe,
die gegen den Vertrag gestimmt hatten, so sei ihre Situation sehr unterschiedlich
zu bewerten, doch gemeinsam sei ihnen bei ihrer Ablehnung die Sorge gewesen, dass
in dem Vertrag nicht ausdrücklich der Waffenverkauf an nicht-staatliche Gruppierungen
verboten werde.
„Wir müssen jedoch den großen Zusammenhang sehen, in dem
der Vertrag zu bewerten ist, und zwar den gemeinsamen Fortschritt auf dem Weg der
Abrüstung und Suche nach Frieden. In diesem Zusammenhang müssen wir alle Schritte
unterstützen, wenn sie auch noch so klein sind, die sich in die richtige Richtung
bewegen und den Dialog und die Friedensstiftung in der Internationalen Gemeinschaft
fördern. Dieser neue Vertrag geht in diese Richtung.“
Vittorio Alberti
vom päpstlichen Friedensrat sieht mit dem Vertragsschluss insbesondere auch die Bemühungen
des Heiligen Stuhls belohnt. Neben seiner Tätigkeit im Friedensrat arbeitet Alberti
als Professor für Philosophie an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom:
„Das
Ergebnis (der Vollversammlung) ist aus historischer Sicht bemerkenswert, weil es prinzipiell
den Zielen der Kirche entspricht, die sich dann in historische und politische Handlungen
übersetzen. Es ist bemerkenswert, weil es ein Prinzip der Gesetzlichkeit dort einführt,
wo dieses tendenziell nicht existiert. In diesem Sinne ist das Ergebnis, so meine
ich, der Einwirkung des Heiligen Stuhles zu verdanken.“
Der Heilige Stuhl
hat in der Vergangenheit mehrfach auf den Konsens der Staaten bei einem Waffenkontrollvertrag
gedrängt und den Respekt der Menschenrechte ins Zentrum eines solchen Vertrages gesetzt.
Einiges davon sei beim jetzigen Vertrag umgesetzt worden, doch die Arbeit sei noch
lange nicht vorbei:
„Es ist schwer, von Menschenrechten zu sprechen, wenn
es um Waffen geht. Man muss sich also innerhalb von Kompromissen bewegen. Ideal wäre
freilich der politische Aufbau von Frieden. Was den Schutz der Menschenwürde betrifft,
sind auch in diesem Vertrag historische und objektive Schwierigkeiten spürbar. Aber
ein juristisches Element hier einzuführen, wie es der Vertrag tut, ist ganz sicher
ein positives Element. Wenn es dann um die Abstimmungen geht, geht es um Details -
aber insgesamt sind wir sehr zufrieden über das Ergebnis. Die Geschichte hat ihren
Lauf, doch auch die Diplomatie des Heiligen Stuhles wird weiter in diese Richtung
drängen.“
Hintergrund
Der Vertrag verbietet die Ausfuhr von
Waffen in andere Staaten, wenn die Rüstungsgüter bei Völkermord, Verbrechen gegen
die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen eingesetzt werden könnten. Ebenso sollen
Staaten die Ausfuhr von Waffen dann verbieten, wenn folgende Risiken vorliegen: Die
Waffen könnten bei ernsthaften Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder bei
ernsthaften Verletzungen der Menschenrechte eingesetzt werden. Auch dürfen Rüstungsgüter
nicht an Terroristen oder Kriminelle geliefert werden. Der „Arms Trade Treaty“ umfasst
folgende Kategorien: Kampfpanzer, Artillerie, Kampfjets und -helikopter, Kriegsschiffe
und Raketen sowie Kleinwaffen, etwa Sturmgewehre. Auch Munition und Ersatzteile für
Waffensysteme werden in die Ausfuhrkontrollen einbezogen.
Die Staaten errichten,
sofern nicht schon vorhanden, nationale Kontrollsysteme. Sie fertigen Export- und
Importlisten an, die sie einem Sekretariat der Waffenhandelskonvention übermitteln.
Jedoch sieht das Abkommen keine Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Regeln vor.
Der neue Vertrag soll 90 Tage nach der 50. Ratifikation durch einen Staat in Kraft
treten.
Die Bestimmungen schränken Ausfuhren aus Deutschland nicht ein. Die
bestehenden EU-Exportbestimmungen und die nationalen deutschen Regeln gehen weiter
als das neue internationale Abkommen. Im vergangenen Jahr scheiterte eine Konferenz
zum Abschluss eines Vertrages an den USA, Russland und China. Die UN-Vollversammlung
hatte 2006 beschlossen, Gespräche über einen Waffenhandelsvertrag zu starten. Amnesty
International schätzt den Wert des jährlichen internationalen Handels mit Rüstungsgütern
auf 70 Milliarden US-Dollar.