Der Erzbischof von Berlin, Kardinal Rainer Maria Woelki, ist einer der jüngsten Kardinäle
des Wahlkollegiums – sei es in Hinblick auf sein Alter, sei es in Hinblick auf das
Datum seiner Ernennung zum Kardinal. Geboren am 18.08.1956 in Köln, wurde er nach
dem Studium in Bonn und Freiburg am 14.06.1985 in Köln zum Priester geweiht. Er galt
lange Jahre als rechte Hand des Kölner Kardinals Joachim Meisner; zunächst war er
als dessen Sekretär tätig und später, nach einigen Jahren als Direktor des Collegium
Albertinum in Bonn, als Weihbischof von Köln mit dem Titularbistum von Scampa/Albanien
für den Norden der Stadt zuständig. Im Juli 2011 wurde er von Papst Benedikt zum Erzbischof
von Berlin ernannt, und kurz darauf, im Februar 2012 und noch bevor er sein Pallium
aus den Händen des Papstes entgegen nehmen konnte, zum damals jüngsten Kardinal überhaupt
erhoben. Seine Titelkirche ist San Giovanni Maria Vianney im Osten von Rom; Sein Wahlspruch
als Bischof ist Nos sumus testes – Wir sind Zeugen. Nicht einmal einen Monat nach
seiner Einsetzung als Erzbischof von Berlin, am 22. September 2011, hatte er Benedikt
XVI. anlässlich seiner dritten Deutschlandreise – der ersten in die Hauptstadt - am
Flughafen Tegel empfangen. In seinen Grußworten vor der großen Messfeier mit Papst
Benedikt am selben Abend hatte er seine Stadt Berlin als eine Stadt vorgestellt, „in
der nur eine Person von dreien einer christlichen Kirche angehört; eine Stadt, in
der Gott vergessen worden ist und die durch Atheismus charakterisiert ist“, aber auch
als eine Stadt, „in der viele Menschen nach Gott suchen, und nach Gott fragen.“
Im
Radio Vatikan Interview hatte Kardinal Woelki kurz nach seiner Ernennung zum Kardinal
und der Inbesitznahme seiner Titelkirche, die in einem sozial schwachen Viertel von
Rom liegt, aber einen Einwohneranteil von etwa 90 Prozent Katholiken aufweisen kann,
erklärt, er sehe an sich keinen starken Gegensatz zwischen seiner Berliner Gemeinde
und der Gemeinde in Rom, obwohl das Verhältnis gläubiger Katholiken zu Andersgläubigen
genau umgekehrt proportional sei:
„Ich sehe den Gegensatz eigentlich gar
nicht so stark, es muss sowohl bei denen, die in Rom in der Gemeinde sind, als auch
bei denen, die in Berlin leben, immer darum gehen, dass wir versuchen, Christus ins
Wort zu bringen. Das kann manchmal genauso herausfordernd und anstrengend bei 90 Prozent
Katholiken sein, wie das bei 10 Prozent Katholiken der Fall ist. Jedenfalls, das wird
die große Herausforderung in Italien und in Deutschland, in Rom wie in Berlin sein,
dass wir in die Fußstapfen Jesu treten und dass wir ihn und sein Evangelium als die
große Alternative anzubieten haben. Hinzu kommt, dass ich hier auch erfahren habe,
dass eine Reihe von sozialen Problemen in der Pfarrei der Titelkirche mit gegeben
sind, dass Rumänen und Bulgaren ansässig sind, dass es auch eine Form von sozialer
Spannung gibt. Das ist eine Wirklichkeit, die wir ja auch ganz ähnlich in Berlin haben.“
In
der deutschen Bischofskonferenz ist Kardinal Woelki Präsident der Kommission für caritative
Fragen und Mitglied der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste. Im
Vatikan ist Woelki Mitglied der Kongregation für das katholische Bildungswesen sowie
des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen.
Benedikts Rücktritt sei
für ihn „ein Zeichen von Demut und Sorge um die ihm anvertraute Kirche“, hatte der
Kardinal direkt nach Bekanntwerden des Papstrücktritts in Berlin betont. „Wie in allen
anderen Belangen seines segensreichen Pontifikats handelt der Papst mit großer Umsicht
und weit vorausschauend, auch wenn es um seine eigene Person geht.“ Woelki hob hervor,
die Entscheidung gehe ihm sehr nahe, da er sich Benedikt XVI. besonders verbunden
fühle. „Ich schätze ihn als meinen theologischen Lehrer seit Studienzeiten..., und
schließlich berief er mich erst kürzlich in das Kollegium der Kardinäle“, so der Berliner
Erzbischof. Der Rücktritt von Benedikt XVI. habe nach seiner Einschätzung die Kirche
verändert. Er habe das Papstamt dadurch auf eine gute Weise „entzaubert“, denn damit
sei er ein Vorbild für andere Verantwortungsträger in Kirche und Gesellschaft geworden,
„nicht an der Macht zu kleben“
Benedikt XVI. setze durch seinen Amtsverzicht
„einen Maßstab, der auch für folgende Päpste richtungsweisend ist“, so Woelki. Er
mache deutlich, „dass der eigentliche Herr der Kirche Jesus Christus ist“. Der Kardinal
betonte zugleich, dass in dem Rücktritt allerdings auch eine Gefahr bestehen könne.
Auch künftige Päpste müssten sich der geistlichen Dimension des Amts bewusst sein.
Sie seien „nicht nur Aufsichtsratsvorsitzende“. Ein Rücktritt des Papstes sei für
ihn allerdings bislang „nur sehr schwer vorstellbar“ gewesen. Der Berliner Kardinal
erwartet nach eigenen Worten keine Probleme dadurch, dass es neben dem neuen Papst
auch noch einen lebenden Amtsvorgänger gibt. Er rechne damit, „dass Benedikt XVI.
sich sehr zurückhalten und nicht in den Verantwortungsbereich seines Nachfolgers hineinreden
wird“. Dafür spreche schon sein Rückzug in ein Kloster. „Dort ist er in Rufweite,
sollte man ihn fragen“, so der Berliner Erzbischof. Kardinal Woelki äußerte sich auch
zu seinen Erwartungen an das neue Kirchenoberhaupt. Aus welchem Kontinent der Papst
komme, sei ihm „total egal“. Er müsse sich jedoch den Fragen in Afrika und Lateinamerika
genauso stellen wie denen der westlichen Welt.