Das Antlitz Gottes: Fastenexerzitien an diesem Montag
„Die Abwesenheit von
Staunen im heutigen Menschen ist ein Zeichen der Oberflächlichkeit.“ Über diese Worte
Kardinal Gianfranco Ravasis meditierten an diesem Montagvormittag ab 9.00 Uhr Papst
Benedikt und die Kuriemitarbeiter, die sich in der Cappella Redemptoris Mater im Vatikan
versammelt hatten, um an den alljährlichen Fastenexerzitien teilzunehmen. Der Präsident
des Päpstlichen Kulturrates steht den Exerzitien, die an diesem Sonntagabend begonnen
haben, in diesem Jahr vor. Er hat für die päpstlichen Exerzitien das Thema gewählt:
„Ars orandi, ars credendi. Das Antlitz Gottes und das Antlitz des Menschen im Psalmengebet.“
An diesem Montagvormittag, in der zweiten Meditation, standen das offenbarende Wort
Gottes und das schöpferische Wort Gottes im Mittelpunkt der Überlegungen des Kardinals:
„Welches
ist das erste Antlitz, mit dem Gott sich zeigt? Die erste Offenbarung Gottes liegt
im Wort. Seine Gnade vertraut sich dem Wort an. Und es ist bedeutsam wahrzunehmen,
dass gerade der absolute Beginn des Alten und des Neuen Testaments durch das Wort
markiert wird. Gott sagte: „Es werde Licht, und es wurde Licht“. Die Schöpfung ist
demnach ein hörbarer Akt, ein Wort, paradoxerweise eine menschliche Realität, die
extrem fragil ist – denn einmal ausgesprochen, verlöscht sie – aber gleichzeitig hat
sie eine besondere Wirksamkeit, denn ohne das Wort gäbe es keine Kommunikation.“
Die
dritte Meditation des Kardinals vor der Kurie, die um 10.15 Uhr an diesem Montagmorgen
begann, verwies auf die Theophanie des Schöpfers, die gerade durch seine erste Offenbarung
im Wort wirke. Die Schöpfung, unterstrich Kardinal Ravasi, ist ein „anderes Wort Gottes“,
enthält eine „schweigende theologische Musik“, wie es der deutsche Psalmenkommentator
Hermann Gunkel ausgedrückt hatte, „eine Botschaft, die keine lauten Worte oder Echos
kennt, aber doch das gesamte Universum durchläuft“. Psalm 19 verweise darauf, wie
die Himmelskörper „Erzähler“ des Schöpfungswerkes Gottes seien. Es sei deshalb nötig,
zur Andacht zurückzukehren:
„Die Abwesenheit von Staunen im heutigen Menschen
ist ein Zeichen der Oberflächlichkeit. Der Mensch ist nur über die Arbeit seiner eigenen
Hände gebeugt, unfähig, die Augen zum Himmel zu erheben und in Innersten die beiden
Extreme des Universums und des Mikrokosmos zu bewundern. Und das ist die Ursache dafür,
dass der Mensch, frei von Anbetung, die Erde verunstaltet hat, indem er sie nur als
Mittel zum Zweck genutzt hat. Er hat keinen Sinn mehr für die Erde als Schwester.“
Anschließend
an die abendliche Meditation, die ab 17 Uhr im Vatikan stattfindet, feiern der Papst
und seine Kurie eine Vesper.