2012-09-01 11:07:47

Unser Buchtipp: Islam und Islamkritik


RealAudioMP3 Ralph Ghadban: Islam und Islamkritik. Vorträge zur Integrationsfrage. Eine Besprechung von Anne Preckel.

Vor kurzem hat Hamburg als erstes deutsches Bundesland einen Staatsvertrag mit Muslimen geschlossen. Die Kirchen begrüßten den Schritt, der von vielen Beobachtern als Beitrag für die Integrationspolitik gesehen wird. Unsere Buchbesprechung von heute passt zum Thema Islam in Deutschland.

In dem Fachbuch „Islam und Islamkritik“ hat Ralph Ghadban eigene Artikel und Vorträge zusammengestellt, in denen er Grundfragen zum Islam in Europa stellt. Dabei nimmt der libanesisch-stämmige Islamwissenschaftler Glaubensüberzeugungen, religiöse Traditionen und Extremismen ebenso unter die Lupe wie Versäumnisse und Ansätze der Integrationspolitik.

Der Islam in Deutschland sollte sich an seiner Vereinbarkeit mit den Wertvorstellungen des demokratischen Rechtsstaates messen lassen, plädiert Ghadban, es kann nicht nur um äußerliche Anpassung gehen. Das zeigt Ghadban in einer Analyse der – im Allgemeinen als „friedlich“ und „liberal“ geltenden – Gülen-Bewegung. Kritisch prüft der Migrationsforscher, der jahrelang mit muslimischen Einwanderern in Deutschland arbeitete, die Ausführungen der geistigen Begründer der Bewegung zu den Themen Glaubensabfall, Menschenrechte, interreligiöser Dialog und Demokratieverständnis. Die Bilanz ist streitbar, aus der Luft gegriffen ist sie nicht: Said Nursis und Fethullah Gülens Überzeugungen werden ausführlich behandelt und darin so mancher „pseudomodernistische“ Zug enttarnt. Das dürfte vor den Kopf stoßen, aber auch die ideologische Bandbreite im Gülen-Netzwerk aufzeigen.

Ein anderes Thema, das Ghadban behandelt, ist die deutsche Integrationspolitik. Er zeigt, dass muslimische Parallelgesellschaften und Ghetto-Bildung auch mit einer verfehlten Ausländerpolitik zu tun haben. Die Deutsche Islamkonferenz sei von der deutschen Regierung nach den New Yorker Anschlägen von 2001 vor allem „aus einem Sicherheitsdenken“ eingerichtet worden, merkt Ghadban kritisch an, der selbst als Berater der Konferenz tätig war. In einem historisch interessanten Exkurs vergleicht er das Berliner Forum mit dem Pariser Sanhedrin von 1807, einem Integrationsgipfel, auf dem es um praktische Fragen des Zusammenlebens mit der jüdischen Gemeinschaft ging. Fragen wie „Darf eine Jüdin einen Christen bzw. eine Christin einen Juden heiraten?“ seien in Paris gestellt und beantwortet worden. „Warum nicht ähnlich auch heute in Berlin?“, schlägt der Autor vor.

Nicht nur um den Islam, sondern auch die Kritik am Islam geht es in Ghadbans Buch. Ein Kapitel behandelt die Sarrazin-Debatte, in der die Islamkritik so manch wunderliche Blüte trieb. Die Debatte sei, urteilt der Wissenschaftler, „eine demokratische Leistung“ gewesen, ein Tabubruch, der alles zutage förderte, das anscheinend raus musste, über den Islam. Dass dann aber dabei im deutschen Feuilleton demokratische Grundwerte demontiert und relativiert wurden und auch berechtigte Kritik am Islam als „fundamentalistisch“ gewertet wurde, das verzeiht Ghadban seinen Kollegen „Islamwissenschaftlern“ dann doch nicht.

Der Sammelband „Islam und Islamkritik“ vermittelt einerseits Fachwissen, so werden der Koran und islamische Denker ausführlich behandelt. Andererseits wertet Ghadban auch und sagt ganz klar, welche Überzeugung er problematisch findet. Das ist vielleicht nicht immer „politisch korrekt“, aber Ghadban weiß, wovon er spricht.

Noch einmal zum Mitschreiben: „Islam und Islamkritik“ von Ralph Ghadban, Schiler Verlag, 28,00 Euro.(rv 30.08.2012 pr)








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