Aktenzeichen: William Shakespeare - Ein heimlicher Katholik?
Nach ihrer Thronbesteigung
hatte Elisabeth I. den Protestantismus zur Staatsreligion erklärt. Shakespeare hätte
ein Opfer dieser Politik sein können, denn er war ein heimlicher Katholik. Zu dieser
Erkenntnis kommt die Historikerin Hildegard Hammerschmidt-Hummel. Hier geht's
zur Sendung „Aktenzeichen“ – von Aldo Parmeggiani. (rv 18.9.2011 mc)
‘Menschen
in der Zeit’ William Shakespeare – ein Katholik? Das Leben und das Werk William
Shakespeares ist seit Jahrhunderten ein permanentes Faszinosum. Im Leben dieses genialen
Dichters gibt es aber noch immer viele Rätsel. Die wichtigsten davon sind durch Hildegard
Hammerschmidt-Hummel gelöst worden: so konnte die rennomierte Professorin für englische
Literatur und Kulturwissenschaft an der Universität in Mainz verbindlich nachweisen,
dass William Shakespeare Katholik im Untergrund war. Mit ihren präzisen kulturhistorischen
Recherchen, ihrer Erschließung neuer Quellen und ihrer Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern
unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter auch Kriminologie, die zu neuen Erkenntnissen
über Shakespeares Aussehen, seine Religionszugehörigkeit und die zeitgeschichtlichen
Entstehungsbedingungen seiner Werke führten, erwarb Hildegard Hammerschmidt-Hummel
internationales Ansehen. Die im folgenden unterbreiteten Erkenntnisse gelten als revolutionär.
*Frau
Hammerschmidt-Hummel, Ihnen ist es in jahrelangen akribischen und äußerst präzisen,
wissenschaftlichen Recherchen gelungen, große Geheimnisse über William Shakespeare
zu lüften: durch Sie wissen wir wie der geniale Dichter in Wirklichkeit ausgesehen
hat, Durch Sie wissen wir verbindlich, dass Shakespeare Katholik war. Beginnen wir
mit dem wirklichen Aussehen Shakespeares: Sie konnten die Lebensechtheit von vier
Bildnissen des großen Dramatikers nachweisen, darunter das berühmte so genannte ‘Flower
Portrait’. Dabei haben Sie nicht nur unzählige historische Quellen neu erschlossen,
sondern sich auch auf neueste technische Verfahren des Bundeskriminalamtes und mehrere
medizinische Gutachten gestützt: Wie ist es dazu gekommen. Was geschah mit dem Original-Flower-Porträt
und wo befindet sich dieses Bild heute? “Alles begann mit einer faszinierenden
Bühnenzeichnung von 1594 zu Shakespeares ‘Titus Andronicus’. Auf ihr glaubte ich Shakespeares
ersten großen Darsteller und Freund Richard Burbage zu erkennen; zur Überprüfung meiner
gewagten Annahme wandte ich mich an das Bundeskriminalamt. Der zuständige Sachverständige
bestätigte meine These – und er erklärte sich bereit, eine Identitätsprüfung bei vier
Shakespeare-Bildnissen vorzunehmen, die beanspruchten, den Dichter lebengetreu wieder
zu geben, deren Echtheit allerdings in der Forschung bezweifelt wurde. Unter diesen
Bildnissen befand sich das ‘Flower Portrait’ und die Darmstädter-Totenmaske. Die mit
neuesten kriminaltechnischen Verfahren durchgeführten Untersuchungen im Bundeskriminalamt
ergaben, alle Bildnisse zeigten dieselbe Person: William Shakespeare. Das war eine
Sensation. Das ‘Flower-Portrait’ – unter dem sich eine Madonna mit dem Jesuskind und
Johannes befindet, war für mich der Anstoß, der Frage nachzugehen, welcher Religion
der Dichter wirklich angehört hat. Denn der Besitz eines Marienbildes galt in England
als Hochverrat. Leider ist das Original des ‘Flower-Portraits’ seit 1999 verschollen.
Man kann nur hoffen, dass dieses einzigartige englische Kulturgut bald wieder aufgefunden
wird”.
*Sie konnten wissenschaftlich nachweisen, dass William Shakespeare ein
engagierter Katholik und für die damals in England verbotene katholische Kirche im
Untergrund tätig gewesen war. Diese These hat weltweites Aufsehen erregt und ist ein
kulturwissenschaftlicher Volltreffer. Wie lautet Ihre These?
“Wie mein Studium
neuer Quellen ergab, waren die älteren Verwandten und Freunde Shakespears blühende
Anhänger des alten Glaubens. Der Vater des Dichters hat sogar ein hochgefährliches
borromäisches Testament unterzeichnet und damit schriftlich seinen katholischen Glauben
bekannt. Shakespears Stratforder Schulmeister outete sich als Katholik, wurde dann
Priester und in Rom Jesuit und sogar englischer Pönitentiar am Stuhl von St.Peter.
Der Dichter hatte später Kontakte zu den Anführern der jesuitischen Missionsbewegung
1613 erwarb Shakespeare ein Torhaus des alten Domenikanerklosters Blackfriars in London
und dies war die geheime zentrale Anlaufstelle für flüchtige Priester, die ihnen Unterschlupf
und Fluchthilfe gewährte. Shakespeare trug damit entscheidend zum Überleben des englischen
Katholizismus bei”.
*Was bedeutet der Ausdruck "The lost years" - die verlorenen
Jahre - im Leben Shakespeares? Was muss man sich darunter vorstellen?
“Die
“Lost years” 1585 bis 1592 waren im Leben Shakespears zuvor eine tabula rasa. Meinen
neuen Quellen entnahm ich, dass 1585 in Rom ein Treffen führender englischer Katholiken
stattfand, bei dem Strategieen der Rückgewinnung Englands für den Katholizismus erarbeitet
wurden. Der wegen seiner Verstösse gegen die antikatholische Strafgesetzgebung hochgefährdete
Dichter hatte Stratford fluchtartig verlassen müssen, mit unbekanntem Ziel. Vor diesem
Hintergrund und auf Grund der Tatsache, dass Shakespears Lehrer Pönitentiar in St.
Peter war, sah ich mich veranlasst, in Rom zu recherchieren und wurde im dortigen
Kollegium Anglikum fündig.”
*Aus Ihren Nachforschungen geht hervor, dass
Rom für Shakespeare eine große Rolle spielte. Wie oft war er in Rom und wie lange
hielt er sich in der Ewigen Stadt auf? “Ja, Rom spielte für Shakespeare in der
Tat eine große Rolle. Die Stadt wird in seinem Werk rund 90 Mal erwähnt. Für die Zeit
der “lost years” fand ich im Pilgerbuch Nr. 282 des Kollegium Anglikum in Rom drei
Pseudonyme, die nur Shakespeare verwendet haben konnte. Darunter 1589 William Sekretär
aus Stratford. Der Dichter blieb 8 Tage. 1587 hielt er sich sogar vier Wochen in Rom
auf und 1613 reiste Shakespeare ein letztes Mal nach Rom, logierte im Pilgerhospiz
des Kollegs und benutzte den Decknamen Riccardus Stratfordus. Dazu muss man sagen,
dass Richard der Vorname seines acht Monate zuvor gestorbenen Brunders war”.
*Kann
man sagen, dass die Religion einer der Schlüssel zum besseren Verständnis von Leben
und Werk dieses genialen Mannes geworden ist? “Shakespeares heimlicher Katholiszimus
ist tatsächlich der eigentliche Schlüssel zum besseren Verständnis seines Lebens und
Werks. Die unvorstellbar drakonische antikatholische Strafgesetzgebung unter Elisabeth
I. hatte verheerende Konsequenzen für die englischen Katholiken. Sie wurden entrechtet,
wirtschaftlich ruiniert, in die Emigration getrieben oder ins Gefängnis geworfen und
oft als Hochverräter hingerichtet. Der in den 1590ger Jahren mächtig gewordene Graf
von Essex, der engste Freund des Grafen von Southampton, Sheakespears Förderer und
Freund, erkannte die Notwendigkeit der Toleranz gegenüber den Anhängern der alten
Religion. Essex war der Held des Volkes und der Hoffnungsträger der englischen Katholiken,
aber auch Shakespeares. Als er zu Fall gebracht und 1601 hingerichtet wird, erscheint
Shakespeare wie traumatisiert und vollzieht in seinem Werk, die Wende zum Tragischen.
In dieser Zeit entsteht Hamlet, eine Tragödie, mit der Shakespeare seinen getöteten
poltischen Idol ein einzigartiges literarisches Denkmal setzt. Horatio spricht für
den toten Prinzen genau das katholische Gebet, das Essex auf dem Schaffott drei Mal
betete: dass nämlich die Engel des Himmels herniedersteigen und seine Seele zu den
himmlischen Freuden geleiten mögen. Als Elisabth I. 1603 starb, schrieb Shakespeare
ihr bezeichnender Weise keine einzige Zeile des Gedenkens”.
*Welches Drama
Shakespeares würden Sie als das katholischste bezeichnen?
“Sicher ist zuvorderst
Maß für Maß zu nennen. Dieses Stück hat ürbigens Kardinal Schönborn auf den Brettern
des Burgtheaters in seiner Domenikanerkutte ganz eindrucksvoll interpretiert. Das
sensationelle an diesem Stück ist, dass seine Heldin eine Novizin ist. Seit Heinrich
VIII. gab es in England keine Klöster mehr. Mönchen und Nonnen wurden seither ridikülisiert,
nicht aber bei Shakespeare. Denn dort fungieren sie als Ratgeber und Tröster der Protagonisten.
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang noch, dass Shakespeare mit König Johann
beispielsweise ein Lehrbeispiel für seine eigene Zeit gesetzt hat. Der König bricht
mit Rom und wird, wie später Elisabeth I. exkommuniziert. Doch am Ende versöhnt er
sich mit Rom und nimmt die Krone Englands aus der Hand des päpstlichen Legaten zurück.”
*Warum wurde der Faktor, dass Shakespeare Katholik gewesen ist, von der Forschung
so lange übersehen? War die Zulassung seiner Theaterstücke am Hof von Königin Elisabeth
I. nicht geradezu ein Beweis dafür gewesen, dass Shakespeare Protestant gewesen war?
“Shakespeares
Katholizismus war im protestantischen England politisch unerwünscht. Wenn seine Stück
bei Hofe aufgeführt wurden, läßt sich daraus natürlich nicht schließen, dass der Dichter
Protestant war. Shakespeare hat dafür gesorgt, dass seine Dramen mit religionspolitisch
exlusiven Inhalt nicht bei Hofe gezeigt und erst sieben Jahre nach seinem Tod gedruckt
wurden.” *Warum meinten viele, Shakespeare stehe eher über der Religion und sei
so etwas wie ein säkulärer Humanist oder aufgeklärter Agnostiker gewesen?
“Die
tiefen, psychologischen wie philosophischen Einsichten Shakespeares mögen den Eindruck
erweckt haben, als stehe er über der Religion. Sicher ist, dass Shakespeare das neue
humanistische Gedankengut seiner Zeit rezipiert und geteilt hat. Aber ein aufgeklärter
Atheist wie sein Dramatikerkollege Christopher Marlow war er mit Sicherheit nicht”.
*Welche besonderen menschlichen Eigenschaften würden Sie bei William Shakespeare
hervorheben?
“Ich würde zuvorderst seine große Sensibilität gegenüber menschlichem
Leid hervorheben. Dann aber auch seinen Wagemut, wenn es darum ging, der alten katholischen
Religion in England zu gewährleisten”.