Biblische Geschichten
vermittelt durch indischen Tempeltanz: Ein indischer Jesuit hat eine ganz eigene Form
der Spiritualität entwickelt. Pater Saju George erzählt tanzend von seinem Glauben.
Weltweit füllt er damit Konzert- und Gemeindesäle. Wir haben den Ordensmann auf dem
Ökumenischen Kirchentag in München getroffen:
Grazil bewegt er sich zum Rhythmus
der indischen Klänge. Ein Tänzer in orange glänzender Seidentracht. Glöckchen klirren
im Takt an seinen Füßen. Sein Oberkörper ist nur mit Goldschmuck bedeckt. Seine Bewegungen
fließen, sein Blick ist verzückt. Nein, das ist keine Szene aus einem Bollywoodfilm.
Das ist der tanzende Jesuit, Pater Saju George:
„Ich war schon Tänzer bevor
ich in den Jesuiten-Orden eingetreten bin. Dort hat man mich ermutigt, den Tanz, das
Theater und die Musik Indiens tiefgehender zu studieren, als Ausdrucksformen des Glaubens,
als Elemente des Interreligiösen und als Formen der Mission und Evangelisierung.“ Tanzen
– das ist für Pater Saju George Gebet und Gotteslob mit Leib und Seele. Vor neun Jahren
wurde der heute 45-jährige Jesuit in Kalkutta zum Priester geweiht. Seitdem predigt
er auf eine ganz eigene Weise: Indem er biblische Geschichten durch klassischen indischen
Tanz erzählt.
„Die Technik des indischen Tanzes ist diese: Man wiederholt
ein und dieselbe Geschichte oder dasselbe Konzept immer wieder, aber jeweils auf eine
andere Art und Weise, so dass man dadurch die unterschiedlichen Aspekte ihrer Botschaft
darstellen kann. Man kommuniziert durch Musik und Tanz und erzielt so eine audiovisuelle
Wirkung auf Menschen, die sich so die Geschichten behalten und sich in sie hineinfühlen
können.“ Erreichen will Pater Saju George vor allem Menschen aus den armen
Schichten, denen die Sprache des Tanzes oft vertrauter ist, als das Alphabet. In Indien
tanzen die Götter. Nach der Hindu-Mythologie ist der Tanz eine heilige Handlung und
älter als die Welt selbst. Als kosmischer Tänzer symbolisiert Shiva für Hindus die
Energie, die alles erschaffen hat. Saju George übersetzt in seinen Choreografien das
Evangelium in die Körpersprache des indischen Tempeltanzes. Ein Mischmasch der Religionen?
„Das
ist kein Synkretismus. Das ist keine Vermischung von Religionen oder Glaubensrichtungen.
Ich drücke den Inhalt des christlichen Glaubens nur durch eine andere Form aus, die
greifbarer, sichtbarer ist, und die meiner Meinung nach stärker berührt.“ Pater
Saju George Moolamthuruthil ist 1965 im südwestindischen Bundesstaat Kerala geboren.
Kerala, das bedeutet „Land der Kokospalmen“. Schon früh wurde hier Seehandel mit China,
dem Nahen Osten und Europa getrieben. Nicht von ungefähr ist Kerala ein Meltingpot
kultureller und religiöser Traditionen. Es ist auch der Bundesstaat, in dem durchschnittlich
die meisten Christen leben:
„In Kerala leben Christen mit Hindus und Muslimen
zusammen. Es gibt dort einen regen kulturellen Austausch, ein Geben und Nehmen. Es
gibt deshalb kaum Ängste, dass man den eigenen Glauben oder die eigene Kultur zerstört,
wenn man sich anderen öffnet. Das hat mich geprägt, deshalb bin ich auch sehr offen
– wie schon meine Eltern – für andere Kulturen, Religionen, Menschen, weil wir einfach
zusammen leben.“ Pater Saju stammt aus einer streng katholischen Familie.
Inspiriert durch Mutter Teresa, entscheidet er sich als junger Mann, nach Kalkutta
zu gehen und wird dort Jesuit. Neben dem Studium der Theologie und Philosophie macht
er eine Tanz-Ausbildung. Schließlich schreibt er seine Doktorarbeit über die theologischen
Grundlagen des indischen Tempeltanzes. – Aber seine körperbezogene Spiritualität eckt
auch an. Er vermische Religionen und höhle Glaubenstraditionen aus, lautet der Vorwurf
– von Hindus wie von Christen. „Die christliche Tradition ist es einfach nicht
gewohnt, den Glauben an Gott im Tanz auszudrücken. Das wird erst nicht so einfach
akzeptiert, wenn es dann jemand macht. Ich musste zunächst erklären, was ich da mache
und warum, und dann wurde ich langsam toleriert und schließlich akzeptiert, weil man
gesehen hat: Das ist ja gar kein Synkretismus.“ Inzwischen sind Meditations-
und Tanzworkshops mit Pater Saju auch in Europa und den USA sehr gefragt. Vielen vermittelt
er durch den Tanz einen neuen Zugang zum Glauben. Seine Auftritte bringen Menschen
verschiedener Religionen zusammen. Das findet auch Anerkennung im Vatikan. Der Sekretär
des päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Chidi Denis Isizoh:
„Er
versucht, die indische Kultur in das Christentum aufzunehmen. Dazu hat auch das Zweite
Vatikanische Konzil ermutigt. Das ist eine Form der Inkulturaltion, Elemente der indischen
Kultur in das Christentum zu übertragen und sie zu christianisieren. Das ist von sehr,
sehr großem Wert.“ Pater Saju George will nicht nur missionieren, wie er selbst
sagt, sondern auch den Dialog unter den Religionen fördern – gerade in Indien, wo
das religiöse Miteinander auch von Gewalt überschattet wird:
„Die Idee
des Dialogs muss noch viel mehr Menschen erreichen, Hindus, Moslems, Christen und
andere Religionen. Ich glaube, dass Kunst dafür ein gutes Medium ist – um den Frieden
und die Harmonie der Religionen in Indien zu fördern.“ (rv 20.05.2010 ad)